oder: Ein Begriff, der momentan hoch gehandelt wird, von den Wenigsten umfänglich verstanden wird und für Betriebsräte und Unternehmensleitungen von enormem Nutzen sein kann

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Diversität bezeichnet ein Konzept der Soziologie und Sozialpsychologie zur Unterscheidung und Anerkennung von Gruppen- und individuellen Merkmalen. Häufig wird auch die Bezeichnung Vielfalt benutzt. Diversität von Personen wird klassischerweise auf folgenden Ebenen betrachtet: Alter, ethnische Herkunft, Nationalität, Geschlecht/Geschlechtsidentität, körperliche und geistige Fähigkeiten, Religion und Weltanschauung, sexuellen Orientierung und Identität sowie soziale Herkunft.

Insbesondere für die Themen Unternehmens-/Betriebsratskultur und strategische Personalplanung der beiden Player im Betrieb, spielt der Umgang mit Diversität eine besondere Rolle.

Prof. Carola Spiecker-Lampe (Hochschule Bremen) beschreibt in einem Interview (WeserKurier, 18. Oktober 2021) den Begriff und seinen Wert:

Frau Spiecker-Lampe, ist Diversität inzwischen in den Unternehmen angekommen?
Carola Spiecker-Lampe: Ja, Diversity ist in den Unternehmen angekommen – in welcher Form auch immer. Das merkt man an aktuellen Diskussionen und auch an Studien, die durchgeführt worden sind. So haben beispielsweise die Charta der Vielfalt sowie die Page Group 2016 in einer Studie festgestellt, dass etwa ein Drittel der befragten Unternehmen aktiv Diversity betreiben. In einer weiteren Studie zwei Jahre später haben bereits über 60 Prozent der befragten Unternehmen gesagt, dass sie Diversity implementiert und Vielfalt im Unternehmen als Business Case, also als Erfolgsfaktor, erkannt haben und auch leben.

Gilt das für alle Unternehmensgrößen?
Da muss man klar differenzieren. Der kleine Handwerksbetrieb hat nicht zwangsweise die Ressourcen, ein Diversity-Management einzuführen wie beispielsweise ein Dax-Unternehmen mit über 500 Mitarbeitern. Das heißt nicht, dass es die Vielfalt in seinem Unternehmen nicht nutzen möchte, aber der Handwerksbetrieb muss sich dem Thema anders widmen.

Haben Unternehmen manchmal eine Fehleinschätzung, was die Umsetzung von Diversität angeht?
Das kommt vor. Wer glaubt, dass es reicht, internationale Teams zu beschäftigen, ist noch weit von Diversity entfernt. Wir, also die Hochschule Bremen, das Mercedes-Benz Werk Bremen und die Trägergemeinschaft, zu der unter anderem ganz aktuell OHB gehört, vergeben ja einmal im Jahr den Diversity-Preis. Da geht es darum, dass sich Unternehmen mit ihren Ideen und Konzepten für aktives Diversity Management bewerben. Wir als Jury filtern im Vorfeld unter den Bewerbern. Und dabei fallen beispielsweise die Unternehmen raus, die eben nur die verschiedenen Nationalitäten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hervorheben und mehr nicht.

Wie wird Diversität umgesetzt?
Das geht auf jeden Fall nicht auf Knopfdruck. Dahinter steht ein Prozess. Und an erster Stelle muss dieser Prozess von oben von der Führungsetage vorgelebt und ein klares Bekenntnis abgelegt werden, dass das Unternehmen Diversity als Business Case betrachtet und die Vielfalt unterstützen und transparent machen will, beispielsweise durch Unterzeichnung der Charta der Vielfalt. Wenn das von oben vorgelebt wird, dass zunächst der Wunsch da ist, etwas machen zu wollen, ist das der Beginn für einen langen, aber lohnenswerten Prozess.

Was muss folgen?
Ich erkläre meinen Studierenden Management damit, dass managen heißt, ich plane, ich steuere und setze etwas um. Und ich kontrolliere, ob meine Maßnahmen auch erfolgreich waren und passe sie gegebenenfalls an und ändere gegebenenfalls meine Ziele und Strategien. Wenn das nicht aktiv gemacht wird, habe ich auch kein Diversity-Management. Vielleicht habe ich mir klargemacht, dass Diversity ganz wichtig ist, aber wenn ich es nicht aktiv und langfristig betreibe, dann wird daraus nichts.

Gibt es für Unternehmen, gerade auch für diejenigen, die keine Ressourcen für ein Diversity-Management haben, Hilfestellungen von außen, um den Weg der Vielfalt zu gehen?
Ja, das bieten wir beispielsweise an unserem Zentrum für Interkulturelles Management und Diversity an der Hochschule Bremen an. Wir kriegen gerade auch von kleineren und mittleren Unternehmen sogar auch von Sportvereinen Anfragen für eine Beratung, wie man das ganze Thema aktiv umsetzen kann. Wir bieten dafür Impulsvorträge an oder kleine Trainingseinheiten ganz zugeschnitten auf den Kunden.

Wird Diversität noch nicht unternehmerisch genug gedacht?
Letztendlich geht es ja darum, für das Unternehmen das größtmögliche Potenzial aus einem vielfältigen Blumenstrauß an Fachkräften zu ziehen, um so die besten Ideen zu generieren und den bestmöglichen Nutzen zu ziehen. Dass Diversity dabei eine wesentliche Rolle spielt, ist sicherlich noch nicht ­jeder Führungsperson bewusst. Den größten Nutzen bekomme ich, indem ich verschiedene Potenziale zusammenführe. Und wie kriege ich verschiedene Potenziale zu­sammen? Indem man auch auf verschiedenartige Arten von Menschen setzt, die unterschiedliche Ideen und Denkweisen zu­sammenbringen. Auf diese Weise kann es gelingen, ein Team zu kreieren, das von innen her so zufrieden ist, dass der Arbeitgeber auch von außen als attraktiv wahrgenommen wird. Im Ergebnis erhält man also eine Unternehmenskultur, die divers, offen und transparent ist, die Lust auf eine Bewerbung macht.

Was ist in diesem Prozess herauszuheben?
Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Unternehmenskultur so offen ist, dass die Beschäftigten sich am Ende trauen, ihre Stimme zu erheben und sich beteiligen und keine Angst vor Unterdrückung und Diskriminierung haben. Schließlich sind die Ideen das Wichtigste für ein Unternehmen unabhängig vom Glauben, dem Geschlecht oder der sexuellen Orientierung. Es muss darum gehen, eine positive Arbeitgeber-Marke im Sinne eines Employer Branding (Arbeitgebermarke) zu schaffen, um attraktiv für den Fachkräftemarkt zu sein. Wenn das gelingt, die Brücke von innen nach außen zu bauen, ist man auf der Erfolgsspur. Das funktioniert nicht, wenn ich ein Handbuch erstelle und es in den Schrank stelle. Diversity ist ein Prozess, der in kleinen Schritten langfristig erfolgen muss. Wenn ich Diversity-Management im Unternehmen mache, ist das eine Philosophie, ein Grundverständnis, wie eine Unternehmenskultur aussehen soll. Das muss aber erst erkannt werden, und das Bekenntnis und die Plattform müssen da sein. Dann muss der Prozess angeschoben und immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden, um das Potenzial der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter voll ausschöpfen zu können.

Unternehmen, die den Weg nicht gehen, verpassen also eine große Chance?
Auf jeden Fall. Es gibt inzwischen gute Ansätze, wie man den Erfolg von Diversity messen kann. Und das sage ich als Betriebswirtschaftlerin mit Schwerpunkt Finanzwirtschaft und die jahrelang in der Bank gearbeitet hat. Eine ganz einfache Methode ist es beispielsweise, regelmäßig Mitarbeiterbefragungen durchzuführen, um anhand derer ein Stimmungsbild und Verbesserungsvorschläge zu bekommen. Und damit kann langfristig der Erfolg von Diversity messbar gemacht werden.

Gibt es Grenzen von Diversität, die sich ganz einfach daraus ergeben, was ein Unternehmen macht?
Man muss das Thema zweigeteilt betrachten. Auf der einen Seite wissen wir, Diversity bietet eine Chance und kann zum Erfolgsfaktor werden – aber nicht um Biegen und Brechen. Es gibt eben Grenzen, etwa auf einem Containerschiff mit vorwiegend ­philippinischer Besetzung oder einer Bohrinsel, wo die Arbeitswelt in der Regel sehr männerdominiert ist. Es macht da oftmals wenig Sinn, eine Frau unterbringen zu wollen, nur um divers zu sein. Da sollte die ­Realität den Rahmen vorgeben. Wenn etwas einfach übergestülpt wird, leidet auch die Akzeptanz. Und eine hohe Akzeptanz ist wichtig, sonst funktioniert es nicht, dass ­Diversity von innen nach außen wirkt. Diversity sollte nicht zum Selbstzweck gemacht werden, weil es gerade hipp ist, sondern weil man darin einen echten Erfolgsfaktor sieht.

Ein Versuch, bewusst mit Diversität anzufangen, ist es aber immer wert?
Wer sich nicht mit neuen Dingen auseinandersetzt und sich auf neue Entwicklungen einlässt und etwas ausprobiert, bekommt auch keine Antworten darauf, ob das nicht doch der richtige Weg ist.

WeserKurier, 18. Oktober 2021
Gefunden von: Axel Janzen