Got Bag wirbt mit einer neuen Welle von Farben. Die Frage: Wie schnell vergessen die Verbraucher:innen Greenwashing?

Eines der jüngsten Beispiele liefert Got Bag. Das Unternehmen verspricht mehr grünes Image, als es tatsächlich halten kann – und reiht sich damit ein in eine lange Liste namhafter Marken. Stephan Grabmeier über Greenwashing, Zerowashing und die verheerenden Folgen für Unternehmen.

»Die beiden wichtigsten Tage deines Lebens sind der Tag, an dem du geboren wurdest, und der Tag, an dem du herausfindest, warum.«

Mark Twain

Dieses Zitat kommt mir immer wieder in den Kopf, wenn ich Menschen erlebe, die noch nicht herausgefunden haben, was ihr Handeln Sinnvolles bewirken kann. Menschen, die sich für Marken einsetzen, die Raubbau am Planeten betreiben, die Gesundheit von Menschen schädigen, die sinnlosen Massenkonsum forcieren oder Dritten bewusst Schaden zufügen, um sich selbst zu bereichern.

Greenwashing oder Impact?

Um was geht es? Um das nachhaltige Handeln von Unternehmen. Die einen schreien Unwahrheiten via Werbespots, Marketingkampagnen und über unterbelichtete Influencer in die Welt hinaus, die anderen handeln ethisch und moralisch korrekt und bleiben diesbezüglich bescheiden. Die einen betreiben Greenwashing, die anderen erzeugen Impact.
Das Kofferwort Greenwashing repräsentiert die Farbe Grün einerseits für die Umwelt. »Washing« wiederum steht für das Reinwaschen; es weist Ähnlichkeiten zur Geldwäsche und dem damit verbunden Betrug auf.

Wie Unternehmen sich mit Umweltlügen grüner machen, als sie sind

Greenwashing ist ein Begriff, den jeder kennen sollte. Unternehmen zielen durch gezielte Marketing-Maßnahmen darauf ab, sich nachhaltiger und umweltfreundlicher darzustellen, als sie tatsächlich sind.
Es bezeichnet den Versuch eines Unternehmens, durch Marketing- und PR-Maßnahmen ein »grünes Image« zu erlangen, ohne entsprechende Maßnahmen im Rahmen der ganzheitlichen Wertschöpfung zu implementieren. Verbrauchern soll so Umweltfreundlichkeit und Unternehmensverantwortung suggeriert werden.
»Klimaneutral« – ein Versprechen, das viele Länder, viele Unternehmen abgeben: »Bis zum Tag X sind wir klimaneutral.«

So liest es sich auf vielen Webseiten und in PR-Meldungen. Doch was heißt das eigentlich genau? Diese Frage stellt sich das NewClimate Institute in Bonn jährlich und untersucht in seinem »Corporate Climate Responsibility Monitor« die Klima Versprechen großer Unternehmen. Im diesjährigen Bericht, kritisiert das Institut, dass die Klimaziele von 25 der weltweit größten Unternehmen nicht ausreichend seien, um sich das Label »Netto-Null« oder »Klimaneutral« zu verpassen.

Es fehlt an nachhaltiger Substanz

Zu den Unternehmen, die das Institut unter die Lupe genommen hat, zählen beispielsweise Google, Amazon, Accenture oder Apple, aber auch Unternehmen wie die Deutsche Telekom, IKEA, BMW, Vodafone, E.ON, VW, Nestle, Novartis oder Deutsche Post DHL. Der not-fun-fact: Das Institut hatte sich mit dieser Studie vorgenommen, so viele gute Beispiele wie möglich zu finden, um zu zeigen, was in Sachen Nachhaltigkeit schon alles möglich ist. »Aber wir waren ehrlich gesagt überrascht und enttäuscht über die schlechte Qualität der Ambitionen der Unternehmen«, sagt Thomas Day vom NewClimate Institute, Hauptautor der Studie.
Während der Druck auf die Unternehmen steigt, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen, fehlt es ihren ehrgeizig klingenden Versprechen allzu oft an echter Substanz, was sowohl die Verbraucher als auch die Regulierungsbehörden, die für die strategische Ausrichtung der Unternehmen entscheidend sind, in die Irre führen kann.

Overview of companies assessed in the Corporate Climate Responsibility Monitor 2022, Foto: NewClimate.org

Die 25 untersuchten Großkonzerne sind für 2,7 GtCO2e, das sind 5 Prozent aller globalen Emissionen, verantwortlich. Von den versprochenen 100 Prozent CO2 Einsparungen die diese Unternehmen suggerieren werden tatsächlich nur 40 Prozent eingespart. 12 von 25 erhielten die Bewertung niedrig bis sehr niedrig im Bereich Transparenz. Und 21 von 25 niedrig bis sehr niedrig im Bereich Integrität.

Im Rahmen dieser Studie wurde der Bergiff Zerowashing geboren. Eine zusätzliche Ausbaustufe des allgemeinen Greenwashing. Dabei geht es um bewusste Täuschung und Irreführung der CO2 Reduktions- und Kompensationsziele. Keines der Unternehmen hat die höchste Bewertung in Transparenz und Integrität erhalten. Die Abbildung zeigt einen Ausschnitt der Ergebnisse.

Diese Greenwashingkampagnen schaden Marken – zurecht

Eines der jüngsten Beispiele liefert Got Bag. Die Marke hatte es geschafft, vor allem auf den sozialen Plattformen ihre Story vom Rucksack aus 100 Prozent recyceltem Meeresplastik glaubhaft zu inszenieren. Der Rucksack, so das Markenversprechen, liefere einen »echten Mehrwert für die Ozeane«. Doch 100 Prozent im Marketingverständnis des Unternehmen sind nicht 100 Prozent in den Materialen.

Eine Recherche von Zeit Online und Flip zeigt: Das Unternehmen verspricht mehr, als es halten kann, denn die Wahrheit ist, es sind nur 59 Prozent Meeresplastik. Mit der Angabe sei ausschließlich das Gewebe gemeint, Schnallen, Gurte, Beschichtungen und Schäume nicht. Da wurde mit großer Keule eine wohlklingende Werbebotschaft nach der anderen rausgehauen und Influencer mit falschen Informationen gefüttert, die echten Fakten schienen zweitrangig.

Es gibt mittlerweile leider unzählige Beispiele. Zu den verlogensten Greenwashing Kampagnen der letzten Jahre, die der Blog Basic Thinking recherchiert hat zählen unter anderem Nespresso und seine haltlosen Aussagen, die Kaffeekapseln seien aus recyceltem Aluminium hergestellt. Die Werbebotschaften sind grün und vollmundig. Die Beweise dafür lieferte das Unternehmen lange nicht. Jedoch macht das Unternehmen gerade einen großen Schritt in die richtige Nachhaltigkeitsrichtung. Mit der frischen Zertifizierung zur B Corp dürfte dem Unternehmen der Mindshift und die strategische Ausrichtung in Richtung enkelfähiges Wirtschaften gelungen sein. Wir werden es gespannt beobachten.

Der Textil-Discounter Primark genießt in der Modebranche grundsätzlich keinen guten Ruf, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht. Das Unternehmen bietet seit geraumer Zeit diverse Produkte mit dem Label »Primark cares« an, die nachhaltig produziert sein sollen. Die enthaltene Baumwolle ist jedoch nicht einmal biologisch.

Ikea hat sich vor vielen Jahren eine nachhaltigere Forstwirtschaft auf die Fahne geschrieben. Recherchen von Thomson Reuters (Juni 2020) zeigen jedoch, dass das Gegenteil der Fall ist: Die Möbel Ikeas werden zum Teil aus illegalen Rodungen hergestellt und sind damit alles andere als grün.

Unilever hat mit Partnern das MSC-Siegel ins Leben gerufen. Es soll für nachhaltigen Fischfang stehen. Die Idee scheint dabei lobenswert. Konsument:innen kaufen die Produkte mit dem Siegel in dem Glauben, dass sie damit etwas positives bewirken. Tatsächlich sind unter diesem Siegel auch Tiere im Umlauf, die durch Grundschleppnetze erbeutet wurden. Diese Fangmethode hat jedoch negative Konsequenzen für die Umwelt, da sie den Meeresgrund herunterwirtschaftet.

Die Mutter aller Greenwashing Skandale kommt ohne Zweifel aus dem Hause Volkswagen. Der VW Konzern hatte 2009 versucht, mit der »Clean Diesel«-Kampagne für die Schadstoffsauberkeit von Diesel zu werben und das auch mit Erfolg, denn die folgenden Absatzzahlen konnten sich sehen lassen. Wie wir 2015 jedoch erfahren mussten, wurden die Abgaswerte der Fahrzeuge manipuliert. Auch wenn der Skandal bis heute weitestgehend aufgearbeitet wurde, bleibt er unvergesslich.

Das Vertrauen von Marken ist in der Nachhaltigkeit noch wichtiger

Vertrauen gilt für viele Marken als wichtigste Währung. In Sachen Nachhaltigkeit noch mehr als je zuvor, da die meisten Marken einen Wandel durchlaufen. Geschäftsmodelle ändern sich, Produktionsweisen, Herstellungsverfahren, Inhaltsstoffe, Verpackungen oder das Aussehen. Konsument:innen bewerten kritischer denn je, ob sie den Nachhaltigkeitsbotschaften von Unternehmen glauben können. Im Zweifel vertrauen sie eher Unternehmen und Marken, die sie sonst auch wertschätzen. Reputation und Nachhaltigkeit gehören untrennbar zusammen. 
Besondere Glaubwürdigkeits-Anforderungen kommen auf die Unternehmen zu, die konventionelle und nachhaltige Produkte im Angebot haben.
Unternehmen stehen heute zwischen Glaubwürdigkeit und Greenwashing. Die Utopia Konsumenten Studie »Die grüne Mitte« (Februar 2022) zeigt das Konsumentenverhalten und die verschiedenen Verbraucher Typologien. Die Teilnehmer:innen an der Utopia-Umfrage haben den Eindruck, dass das Nachhaltigkeitsengagement von Unternehmen in den letzten Jahren erkennbar zugenommen hat: 68 Prozent finden, dass Unternehmen mehr tun.
Aber: mehr ist noch nicht genug! Trotz der anerkennenden Wertschätzung sind 90 Prozent der Befragten der Meinung, dass Unternehmen ihrer Verantwortung für Nachhaltigkeit und Klimaschutz nicht gerecht werden, jede:r Dritte ist davon sogar »voll und ganz« überzeugt. »Da geht noch was«, finden Konsument:innen und lassen die Unternehmen nicht aus der Verantwortung.

Der Auftrag an die Unternehmen und Marketingverantwortlichen ist eindeutig. Entwickelt eure Unternehmen ehrlich nachhaltig und enkelfähig – in einer sozialen, ökologischen und ökonomischen Balance. Nur dann habt ihr eine Berechtigung. Alle anderen Marken werden in Zukunft vom Markt verschwinden.

Text: Stephan Grabmeier, »werben und verkaufen«, 6. Juli 2022
Gefunden von: Michael Rasch