Der Autor Hasnain Kazim über den richtigen Umgang mit Hassmails und die Kultur des Streitens

oder die Möglichkeiten und Grenzen eines erfolgreichen Konfliktmanagements…

Im öffentlichen, privaten und betrieblichen Raum stellt das Konfliktmanagement eine besondere Herausforderung dar, wobei an zentraler Stelle eines erfolgreichen Managements steht, im Vorfeld die Möglichkeiten und Grenzen zu prüfen und die zu erreichenden Ziele zu formulieren.

Die große Zahl der gescheiterten Konfliktlösungen ist begründet durch eine mangelhafte Analyse des Konflikts, wobei z. B. eine ausreichend große Bereitschaft zur Konfliktlösung oder zur Kommunikation zwischen den Konfliktparteien nicht geprüft wurde – und bewusste und unbewusste realitätsferne Ziele in den Hinterköpfen schlummerten.
Übrigens: Eines der Gradmesser für die Qualität eines Teams, ist seine Fähigkeit für ein erfolgreiches Konfliktmanagement!

Gegenwärtig ist die Konfliktentwicklung und -bearbeitung in den sozialen Medien und Netzwerken ein beherrschendes Thema, wo Personen des öffentlichen Lebens, Vorgesetzte, Kolleg*innen, Betriebsrät*innen es mit anonymen Konfliktgegnern zu tun haben.

Interview mit Hasnain Kazim
(Weser-Kurier, 13. Februar 2020)

Herr Kazim, Sie haben nach »Post von Karlheinz« ein weiteres Buch mit Beispielen und Anleitungen zur Auseinandersetzung mit Pöblern und Populisten veröffentlicht. Warum?
Hasnain Kazim: Ich habe sehr viele Erfahrungen mit Menschen machen müssen, die mich beschimpfen und beleidigen. Es vergeht kein Tag, an dem ich keine Hassmails bekomme. Und ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die unsicher sind, weil sie nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Ich halte es für wichtig, zu reagieren, sich zu wehren und andere in die Schranken zu weisen, wenn sie Grenzen überschreiten. Denn es gibt in einer zivilisierten Gesellschaft Grenzen des Sagbaren. Sie werden nicht vom Strafrecht bestimmt, sondern von Moral und Anstand. Eine Diskussionskultur verdient ihren Namen nur, wenn man die ausschließt, die von sich geben, was jenseits des Sagbaren liegt.

Sie bedienen sich verschiedener Varianten, um Paroli zu bieten: betonter Höflichkeit, Sarkasmus, Spott, Zurückgepöbel sowie Ignoranz. Ein Patentrezept haben Sie ausdrücklich nicht, Sie empfehlen aber grundsätzlich, sich sozusagen mit Hingabe zu streiten.
Wir müssen den Mut haben, uns zu streiten. Wir müssen widersprechen, wir müssen uns auseinandersetzen, unsere Stimmen hörbar machen, gerade gegenüber Pöblern und Populisten vom rechten Rand.

Kann man mit Reaktionen dort irgendetwas erreichen?
Meiner Erfahrung nach bewirke ich etwas bei Pi mal Daumen einem Viertel der Menschen, mit denen ich mich auseinandersetze. Mit ihnen kommt es zu einem inhaltlichen Austausch, zum Austausch von Argumenten und auch zu Einsichten. Drei Viertel pöbeln weiter, einerlei wie ich reagiere, manche hören auch damit auf. Dann habe ich wenigstens erreicht, dass sie den Mund halten.

Bieten Sie alleine durch Ihren Namen und die Herkunft Ihrer Eltern eine größere Angriffsfläche als andere?
Ganz sicher. Es gibt Menschen, die sind der Meinung, dass ich niemals ein gleichwertiges Mitglied dieser Gesellschaft sein kann, dass ich kein richtiger, sondern höchstens Passdeutscher sein kann. Selbst wenn ich Artikel schreibe, die gar nichts mit Rechtspopulismus, der AfD oder dem Islam oder anderen Themen zu tun haben, die Pöbler und Populisten triggern, werde ich angefeindet. Ich habe zu einem Reisebericht über eine Fahrradtour an der Donau Mails bekommen, deren Absender sich darüber empörten, dass sich ein Ausländer herausnehme, Deutschen Reiseempfehlungen zu geben.

Teilen Sie den Befund, dass der Ton allgemein rauer geworden ist?
Auf jeden Fall. Je mehr Leute herumpöbeln und -beleidigen und je weniger Leute widersprechen, desto mehr wächst die Akzeptanz dieses Verhaltens. Wenn ein US-Präsident jeden Tag bei Twitter Niedertracht und Beleidigungen verbreitet, hat das Folgen, ganz klar. Er hat durch seine gesellschaftliche Position eine Vorbildfunktion inne, auch in seiner Kommunikation. Und Trump ist ja nicht der Einzige, der in dieser Form kommuniziert.

Grundsätzlich scheinen sich Meinungen sehr stark voneinander abzugrenzen oder sich sogar ausschließlich an der Abgrenzung zu schärfen. Die Kommunikation scheint oft gar nicht auf Diskurs oder Austausch angelegt zu sein.
Das Problem ist, dass die Zahl derer, die herumpöbeln und sprachlich entgleisen, überhandgenommen hat. Man hat einfach zu lange zu viel erduldet und unwidersprochen hingenommen. Jeder kann zu allem seine Meinung sagen, aber er muss damit leben, dass er damit auf Widerspruch stößt. Meinungsfreiheit heißt nicht Widerspruchsfreiheit. Man kann die Flüchtlingspolitik kritisieren, aber wenn irgendwer irgendwem Gewalt androht oder den Tod wünscht, ist einfach Schluss. Diese Menschen müssen Konsequenzen zu spüren bekommen. Man muss ihnen entgegentreten.

Sie haben kürzlich ein Angebot zum Widerspruch abgelehnt. Sie waren als Gast in einer Talkshow vorgesehen, ebenso wie Thilo Sarrazin. Sie haben abgelehnt. Darf Herr Sarrazin keine Meinung haben?
Doch, selbstverständlich. Aber Sarrazin konstruiert teils haarsträubende Argumente, die keiner Überprüfung standhalten. Er schert ganze Bevölkerungsgruppen über einen Kamm, meistens negativ. Das ist keine Grundlage für eine Diskussion. Andere können das machen, aber ich halte nicht als Staffage für seinen Auftritt her.

Sie schreiben in Ihrem Buch: »Um Leute mit undemokratischen Ideen von der Macht fernzuhalten, bin ich gerne Demokrat, der undemokratische Mittel nutzt.« Wie passt das zusammen?
Das ist ein Paradoxon. Ich predige Toleranz, aber gegenüber Menschen, die intolerant sind, möchte ich bitte auch intolerant sein. Die AfD, aber auch Erdogan reiten darauf herum, dass sie gewählt worden sind. Das stimmt. Aber nur, weil man mit demokratischen Mitteln an die Macht oder ins Parlament gekommen ist, heißt das noch lange nicht, dass man Demokrat ist. Im Gegenteil: Diese Leute nutzen die Vorteile der Demokratie aus, um sie, sobald sie an der Macht sind, zu bekämpfen. Das berechtigt mich dazu, sie zu ächten und auszugrenzen, und ich wünschte, das täten noch viel mehr Menschen.

Wenn man Ihr neues Buch liest, wenn man Ihnen zuhört, meint man, der Umgang mit Pöblern sei quasi ein Kinderspiel. Sind Sie wirklich gestählt, oder lassen Sie sich doch hin und wieder erschüttern?
Ich lasse solche Gedanken ganz bewusst nicht zu, weil ich sehe, dass immer mehr Menschen, auch Kollegen, bei ihrer Arbeit eine Schere im Kopf haben, weil sie befürchten, rundgemacht oder bedroht zu werden. Das darf man nicht zulassen. Ende vergangenen Jahres habe ich nach einem Artikel zur AfD so viele Morddrohungen bekommen wie noch nie, jeden Tag mindestens ein Dutzend. Das macht etwas mit einem, natürlich. Aber ich mache weiter, ich muss weitermachen. Ich lasse mich nicht mundtot machen.