Das abgebildete Plakat ist aus der Kampagne gegen das Frauenwahlrecht 1946. An Volksabstimmungen in der Schweiz durften bis 1971 nur Männer teilnehmen.

In Bremen verpasst und in Vilnius (Museum of applied arts and design) wieder entdeckt: »Votes & Voices« die Ausstellung des Museum für Gestaltung Zürich. Die Ausstellung ist seit 2016 weltweit auf Reisen und zeigt Schweizer Kampagnenposter von 1918 bis heute. Sie präsentiert visuelle Argumentationsstrategien und eine bildliche Rhetorik, die von 1918 bis heute Schweizer Plakate geprägt haben. Klischees, undifferenzierte Vereinfachungen, ein Repertoire an drastischen Motiven und eingängigen Parolen entsprechen den Gesetzen des Mediums, dessen Ziel die direkte Massenmanipulation ist. Die Plakate gegen die Aufnahme des Frauenstimmrechts in die Verfassung sind besonders verstörend.

Seit der Gründung des Bundesstaates im Jahr 1848 ist die Schweizer Bevölkerung durch die Regeln der direkten Demokratie aktiv an der politischen Entscheidungsfindung beteiligt. Volksinitiativen und Volksabstimmungen bilden die Grundlage für kommunale, kantonale oder federale Volksabstimmungen. Immer wieder lassen die Fragen der Abstimmungen die Gemüter hoch kochen und führen zu heftigen ideologischen Kämpfen. Zeugnisse dieser Auseinandersetzungen sind Wahlplakate, die seit dem frühen 20. Jahrhundert die öffentliche Meinung zu beeinflussen versuchen. Im Laufe der Zeit haben aber auch viele namhafte Künstler und Designer Plakate geschaffen, die sich in das kollektive Bildgedächtnis der Schweiz eingeprägt haben und zu Ikonen der Schweizer Plakatkunst geworden sind.

Als sensible Indikatoren gesellschaftspolitischer Stimmungen und als wertvolle zeitgenössische Dokumentationen spiegeln die Exponate nicht nur die Geschichte der Schweizer Mentalität, sondern auch globale Trends wider. Dies wird durch zwei Plakate zu Beginn der Ausstellung veranschaulicht. Um sich gegen das Frauenwahlrecht zu engagieren, zeigt Otto Baumbergers Plakat von 1920 eine Frau, die sich aktiv an politischen Ereignissen beteiligt, als höchst unattraktive, wild gestikulierende Hyäne. Das Plakat von 2009, das sich für ein Verbot von Minaretten einsetzte und international große Aufmerksamkeit erregte, stammt aus denselben konservativen Kreisen. Dieses Plakat, das eine muslimische Frau, die in einem Niqab verschleiert ist, als Feindin bezeichnet, wirft dem Islam auch Rückständigkeit und mangelnde weibliche Selbstbestimmung vor.

Fotos: Martin Rzeppa
Texte: Ausstellung »Votes & Voices«. Schweizer Kampagnenposter von 1918 bis heute, Museum für Gestaltung Zürich
Zusammengestellt von: Martin Rzeppa
Glossar: Wikipedia

Glossar:

Frauenstimmrecht in der Schweiz
Das Frauenstimmrecht in der Schweiz (Stimm- und Wahlrecht) wurde durch eine eidgenössische Volksabstimmung am 7. Februar 1971 eingeführt. Formell wurde das Frauenstimmrecht am 16. März 1971 wirksam. Die Schweiz war somit eines der letzten europäischen Länder, welches ihrer weiblichen Bevölkerung die vollen Bürgerrechte zugestanden, doch sie war das erste Land, in dem dies durch eine Volksabstimmung (des männlichen Teils der Bevölkerung) geschah.
Bis zur Einführung des Frauenstimmrechts in allen Kantonen vergingen allerdings noch weitere 20 Jahre: Am 27. November 1990 gab das Bundesgericht einer Klage von Frauen aus dem Kanton Appenzell Innerrhoden Recht und bestätigte damit die Verfassungswidrigkeit der Innerrhoder Kantonsverfassung in diesem Punkt.[2]
Der Hauptgrund für die vergleichsweise späte Umsetzung liegt im politischen System der Schweiz. Bei Vorlagen, welche die Verfassung betreffen, entscheidet allein das stimmberechtigte Volk zusammen mit den Kantonen. Um das Stimmrecht auf den verschiedenen Ebenen einführen zu können, bedurfte es jeweils der Mehrheit der stimmberechtigten Männer.