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Plakatrhetorik und Klischees

Das abgebildete Plakat ist aus der Kampagne gegen das Frauenwahlrecht 1946. An Volksabstimmungen in der Schweiz durften bis 1971 nur Männer teilnehmen.

In Bremen verpasst und in Vilnius (Museum of applied arts and design) wieder entdeckt: »Votes & Voices« die Ausstellung des Museum für Gestaltung Zürich. Die Ausstellung ist seit 2016 weltweit auf Reisen und zeigt Schweizer Kampagnenposter von 1918 bis heute. Sie präsentiert visuelle Argumentationsstrategien und eine bildliche Rhetorik, die von 1918 bis heute Schweizer Plakate geprägt haben. Klischees, undifferenzierte Vereinfachungen, ein Repertoire an drastischen Motiven und eingängigen Parolen entsprechen den Gesetzen des Mediums, dessen Ziel die direkte Massenmanipulation ist. Die Plakate gegen die Aufnahme des Frauenstimmrechts in die Verfassung sind besonders verstörend.

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Wie viel Führung braucht ein gutes Team?

Aus der Zukunftswerkstatt. So stellen sich die Betriebsräte ihre Zusammenarbeit 2025 vor: Ein buntes und engagiertes überschaubares Team am runden Tisch. Hier geht es um die besten Ideen, erreichbare Ziele und fundiertes Wissen. Der Tarifvertrag sitzt mit am Tisch und schafft Sicherheit. Die Tür ist offen – Geheimrat war gestern…

Was zeichnet eine wirklich gute Teamarbeit am Ende aus? Was stärkt den Teamgeist am besten? Und was schwächt den Teamgeist? 
Wie viel Autorität benötigt und verträgt ein Team?  Was muss ein Teamleiter können?

»Hannemann geh Du voran«. Das ist schon lange vorbei. Betriebsräte arbeiten heute längst in Themen und projektbezogen in Teams. Dennoch: die Frage nach Leitung und Führung in Betriebsratsgremien und Gewerkschaftsgliederungen ist sehr umstritten. 
»Kleine Ensembles spielen besser ohne Dirigent«. Der Artikel zu Teams und Führung im Spiegel hat mich neugierig gemacht. Der Soziologe Armin Nassehi ist Experte über Zusammenarbeit und seit 1998 Professor für Soziologie an der Uni München.

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Alles ist gekürzt um Längen besser.

Über 20 Millionen Menschen im deutschsprachigen Raum können nicht gut lesen. Dazu gehören Menschen, die aus anderen Sprachen nach Deutschland gekommen sind, Menschen mit geistiger Behinderung, Menschen mit Rechtschreib- und Leseschwäche.
Um dieser großen Gruppe einen Zugang zu Literatur zu ermöglichen, hat Hauke Hückstädt, Leiter des Literaturhauses Frankfurt, ein besonderes Projekt auf den Weg gebracht. Er bat 13 deutsche Autorinnen und Autoren, Geschichten in »Einfacher Sprache« zu schreiben. Das Buch heißt »LiES! Das Buch.«
Besser verstehen und  besser verstanden werden, darum geht es bei der »Einfachen Sprache«. Für Vereine und Verbände, Betriebsräte und Gewerkschaften ist da auch noch viel Luft nach oben. Was können wir von Dichtern lernen, wenn sie in »Einfacher Sprache« schreiben? 
»Der Anspruch eines Textes besteht nicht nur in dem, was er vor sich herträgt, sondern auch darin, was er bewirkt.« So der Herausgeber über die Poesie der Verknappung im Interview mit Anne Haeming  (Spiegel Kultur 18. März 2020).

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Mexikanischer Freizeitkapitän

Ein Freizeitkapitän wird zum »perfekten Skipper« und eine zusammengewürfelte Crew wird zum »besten Team« – Organisationspsychologie aus dem Lehrbuch bzw. wie es das Leben schreibt.

Mit einem Koch für die Crew, täglich 6 Flaschen Wein und Kaviar satt gewinnt ein mexikanischer Hobbysegler 1973 die härteste Regatta der Welt – gegen die erfahrensten Segelnationen mit den härtesten Auswahlverfahren und professionellsten Vorbereitungen.

Die Ankunft des Mexikaners in der südenglischen Hafenstadt Portsmouth sorgte für Verblüffung. In seinen Augen, die hinter einer schweren, schwarzen Hornbrille hervorblitzten, lag Entschlossenheit. Ramón Carlin, 49, wollte sich zum Whitbread Round the World Race anmelden, dem heutigen Ocean Race. Was er mitbrachte: kein Boot, keine Crew, kaum Erfahrung. 

Erst seit wenigen Jahren war Segeln sein Hobby, aber Carlin war stur. »Ich sagte ihnen nur, wenn es losginge, dann würde ich da sein«, erinnerte er sich. Einige Wochen später war es so weit. Der Plan, bei der härtesten Regatta um die Welt mitzusegeln, entstammte einer Bierlaune.

Für die führenden Segelnationen ging es ums Prestige. Die britische Marine hatte sechs Jachten gekauft, 800 Segler getestet, die vier besten Zehn-Mann-Crews für jeden Abschnitt des Rennens ausgesucht. Frankreich entsandte Seglerlegende Éric Tabarly. Über Ramón Carlin lächelten alle nur. In seiner Crew waren neben Sohn Enrique auch noch zwei Neffen und seine Frau Paquita, die nicht schwimmen konnte.

Täglich sechs Flaschen Wein plus Kaviar satt 

Hinzu kamen allerdings einige sehr erfahrene Profisegler aus den Niederlanden, den USA, Australien und Großbritannien. Gespür bewies Carlin ebenso beim Bootskauf – die »Sayula II«, eine 20-Meter-Jacht mit fünf Segeln. Das Beste, was es zu dieser Zeit gab.

Das nötige Kapital brachte Carlin mit. Als Jugendlicher hatte er früh die Schule verlassen und war nach Mexiko-City gezogen. Zunächst arbeitete er in einer Seifenfabrik, zog dann als Vertreter für Besteck, Kochtöpfe und Pfannen von Tür zu Tür. Der Verkauf von Waschmaschinen und anderen Haushaltsgeräten ab 1960 machte ihn zum Millionär.

Britische Journalisten spotteten über die Mexikaner. Ein Zeitungscartoon gab sie der Lächerlichkeit preis: Die Männer trugen Sombreros, hielten Siesta an Bord, eine Flasche Tequila in der Hand, eine Gummi-Schwimmente als Rettungsring um die Hüfte. Niemand nahm Carlin und seine Crew ernst.

Am Morgen des 8. September 1973 wurde die »Sayula II« von zwei irischen Priestern gesegnet und mit Weihwasser besprüht. Nach dem Startschuss begleiteten über 3000 Boote mit begeisterten Zuschauern die 17 Jachten hinaus aufs Meer. Vor den Crews lagen 27.000 Seemeilen (50.000 Kilometer). Die erste Etappe führte von Portsmouth nach Kapstadt.

Die Gattin drohte mit Scheidung

Damit es seiner Crew an nichts mangelte, hatte Carlin einen Koch mit an Bord genommen. Vor dem Abendessen wurde der Aperitif auf einem Silbertablett serviert – sofern es der Seegang erlaubte. Zu den Mahlzeiten gab es sechs Flaschen Wein am Tag; der britische »Telegraph« berichtete auch über reichlich Kaviar im Proviant.

In den 40 Tagen bis Kapstadt brach der Mast des Franzosen Tabarly, während die »Sayula II« für erstes Aufhorchen sorgte – mit perfekter Kurswahl bei der ersten Etappe lag sie schon auf Platz zwei hinter der britischen »Adventure«.

Doch die Tage auf See hatten Spuren hinterlassen. Stürme und bis zu 15 Meter hohe Wellen – vor allem Ramón Carlins Gattin Paquita zählte die Stunden an Bord. Schon überlegte Carlin, ihr zuliebe aufzugeben. Doch Paquitas Antwort war unmissverständlich: »Das kannst du machen. Aber wenn du die Regatta abbrichst, lasse ich mich von dir scheiden!«, erzählte sie später.

Nun ging es um den Stolz Mexikos und um Carlins Ehe. An Bord erwarb sich der Kapitän großen Respekt. »War jemand seekrank, übernahm Carlin seine Nachtwache. Er trocknete auch das Ölzeug, wenn wir das vergessen hatten. Andere hätten gebrüllt, aber so war er nicht«, erinnerte sich Crewmitglied Butch Dalrymple-Smith in der »New York Times« an den »perfekten Skipper«.

Kapitän über Bord 

Die zweite Etappe von Kapstadt nach Sydney wurde noch schwieriger. Carlin und seine Crew lernten die »Roaring Forties« kennen, die gefürchteten Stürme des Südpolarmeers rund um die Vierziger-Breitengrade. Dann passierte es: »Mann über Bord!«, Kapitän Carlin war von Deck gerissen worden. Doch er hing an einem Segel, die nächste Welle hob ihn wieder an, die Männer konnten ihn zurück an Bord ziehen.

Die »Sayula II« wurde hart geprüft, als sie in einer Riesenwelle kenterte und mit Wasser volllief. Hastig verteilte Crewmitglied Keith Lorence Eimer zum Schöpfen und erinnerte sich in der Doku mit einem Grinsen: »Es gibt keine bessere Pumpe als ein paar Männer, die die Hosen voll und einen Eimer in der Hand haben.«

Nach dem Kentern versagte das Funkgerät – kein Kontakt mehr nach außen. Die Regatta-Organisatoren nahmen an, dass die Jacht untergegangen war. Carlins Crew hatte keine Ahnung, auf welchem Platz sie lag. Kurz vor dem zweiten Etappenziel Sydney kam starker Wind auf, die »Sayula II« raste auf Platz eins.

Einige Wochen darauf stand mit Kurs auf Rio de Janeiro eine schwierige Entscheidung an: Sollten sie die schnelle Route Richtung Kap Hoorn wählen, mit dem Risiko, Eisberge zu rammen? Oder doch den längeren, aber sicheren Weg weiter nördlich? Die »Adventure«-Konkurrenz wagte sich in den Süden, noch vor der Hoorn-Passage gingen zwei Mann über Bord. Der Franzose Tabarly erlitt mit seinem Schiff den zweiten Mastbruch und gab entnervt endgültig auf.

Karneval in Rio und der Endspurt 

Carlin indes gewann weiter Zeit und lief erleichtert Rio an. Dort genossen seine jungen Segler die Freuden des Karnevals. Mit Begleiterinnen badeten sie nackt am Strand von Ipanema, wurden verhaftet, konnten aber aus dem Gefängnis entkommen, nachdem sie einen Wärter bestochen hatten.

Von Rio ging es weiter nach Portsmouth. Der Mast drohte zu brechen, die Crew kämpfte unaufhörlich: »Es gab drei Tage, da haben wir 150 Mal die Segel gewechselt. Alle 30 Minuten!«, erinnerte sich Butch Dalrymple-Smith.

Wieder funktionierte das Funkgerät nicht. Am 17. April war die Mannschaft knapp vor dem endgültigen Ziel und wusste nichts über ihre Platzierung, als zwischen der Isle of Wight und Portsmouth plötzlich Helikopter über der »Sayula II« auftauchten. Von einem Begleitboot wurde eine Kiste Champagner herübergereicht. Am Spätnachmittag lief die Crew aus Mexiko nach 133 Tagen und 13 Stunden ein. Carlin hatte das erste Mannschaftsrennen um die Welt gewonnen, Tausende jubelten ihm zu.

Die Sombrero-Segler hatten es allen Spöttern gezeigt und fuhren auf der Themse nach London, zu ihren Ehren öffnete sich die Tower Bridge. Prinz Philip überreichte die Trophäe an Carlin. In Mexiko wurde er zum Sportler des Jahres ernannt, danach wurde es bald wieder still um den Hobbysegler.

Im Mai 2016 starb Ramón Carlin im Alter von 92 Jahren. »Der Unterschied waren mein Boot und diese Crew. Wir hatten keine Zeit zum Üben«, zitierte ihn die »New York Times« im Nachruf. (aus: Spiegel online, 19.02.2020)

Diese Geschichte ist ein Beispiel dafür, dass die weichen Themen bei der Entwicklung von Teams den Unterschied machen. Eine Führungsfigur, die sich vorrangig um das Klima in seinem Team Gedanken macht und sich selbstlos kümmert – und eine entspannte und engagierte Stimmung verbreitet. Und ein Team, das vor diesem Hintergrund über sich hinauswächst und ein ausgezeichnetes Verhältnis zwischen Entspannung und Teambuilding und professionellstem Verständnis für ihren Job und ihre Ziele entwickelt.

Eine Geschichte wie aus dem Lehrbuch der Organisationspsychologie. Wäre sie nicht genau so passiert, wäre sie als »zu kitschig« keiner Erwähnung wert…  

Foto Crew: capital pictures/ddp images
Foto Die »Sayula II«: Jonathan Eastland
Text: Axel Janzen

Soziales Milieu im Höllengebirge

Das hab ich nicht erwartet. Steigeisen, Pickel, Seile, Gipfelmodelle, ringsum das atemberaubende Alpen-Panorama und – mittendrin »Soziales Milieu im Höllengebirge«. In seinem Mountain Museum auf dem Plan de Corones (Kronplatz) erzählt Reinhold Messner die Geschichte des traditionellen Alpinismus. Aber für Sozialforschung und das Zielgruppen-Modell der sozialen Milieus von Sinus ist er bisher nicht bekannt.

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»Früher wollte man Erklärungen, heute braucht man Erfolge«,

sagt Bodo Flaig. Der Blick der beiden Sinus-Chefs auf den Status quo der heutigen Zielgruppenplanung ist schonungslos ehrlich. »Die Marken tappen im Dunkeln. Sie kommen zu dem Punkt, an dem sie sich plötzlich nicht mehr sicher sind, wen sie überhaupt ansprechen«, meint Manfred Tautscher. Ein spannendes Interview von Rolf Schröter, der Text und Interview machte. Erschienen in der W&V, Nummer 1, 2019.

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