Wer wird denn schon gleich an einen Konflikt denken? Erst verhärten sich doch nur Standpunkte.
Ok – die direkte Kommunikation leidet, es geht schon über Dritte. Spätestens dann, wenn dabei das Einfühlungsvermögen zum Gegenüber verloren geht, spüren alle im Team: wir sind mittendrin. Im Konflikt. Wenn jetzt nichts passiert, dann kann es ganz schnell gehen. Es sind nur noch sechs Stufen bis zum Abgrund.
Bei unseren Teamentwicklungen für Betriebsräte stoßen wir oft auf schwelende und nicht bearbeitete Konflikte . Die »9 Stufen der Konflikteskalation« nach Friedrich Glasl helfen bei der Analyse und der Bearbeitung von Konflikten in Großgruppen.

Friedrich Glasl ist österreichischer Ökonom, Organisationsentwickler und Konfliktforscher. Seine Ideen zum Konfliktmanagement in Organisationen hat er erstmals 1980 veröffentlicht. Inzwischen ist die 13. Auflage erschienen.
Ein Konflikt zeitigt drei Hauptphasen. In der ersten Hauptphase ist der Konflikt noch sachbezogen und kooperativ. Die Chancen, den Konflikt hier zu beenden, sind gut. Für das Team und die Konfliktparteien besteht noch eine win-win-Situation. Noch können alle gewinnen und gestärkt aus dem Konflikt herauskommen. 
In der zweiten Hauptphase findet der Konflikt bereits auf der Beziehungsebene statt, die Sachebene spielt schon keine Rolle mehr und es geht um »gewinnen oder verlieren«. Eskaliert der Konflikt bis in die letzte Hauptphase, kann niemand mehr gewinnen. Begrenzte Schläge, Zersplitterung und dann gemeinsam in den Abgrund: Das Team zerfällt.
In unserem Schaubild haben die Mitglieder eines Teams ihren Konflikt auf der 9-Stufen-Skala gepunktet: Wir befinden uns bereits mitten in der zweiten Hauptphase. Es gibt bereits Koalitionen, Gesichtsverlust droht und vier Teilnehmer nehmen bereits Drohstrategien wahr.

Wie erkennen wir, in welcher Phase sich unser Konflikt befindet?

Friedrich Glasl hat neun Stufen der Konflikteskalation herausgefunden. Die erste Stufe bezeichnet er als Verhärtung. Standpunkte verhärten und prallen aufeinander. 
Noch gibt es keine starren Parteien oder Lager im Team. Auch wenn es zeitweilige Ausrutscher und Verkrampfungen gibt, sind die Gegenüber überzeugt davon, dass Spannungen durch Gespräche lösbar sind. 

Polarisieren sich die Standpunkte und wird taktisches Verhalten wichtig, sind wir bereits in der nächsten Stufe: Debatte. Statt direkter Kommunikation – Reden über Dritte. Hier wird schon gewertet: Überlegener gegen Unterlegenem.

Hilft Reden nichts mehr, müssen Taten folgen. Vollendete Tatsachen werden geschaffen. Nonverbales Verhalten dominiert und es entstehen Fehlinterpretationen. Gruppen bilden sich und damit wächst der Konformitätsdruck in den Lagern. Das Einfühlungsvermögen zum Gegenüber geht verloren.

Mit Images und  Koalitionen eskaliert der Konflikt gefährlich weiter. Jeder reagiert nur noch, um Gesichtsverlust zu vermeiden. Eigene Normen gelten nur noch für den anderen.  Der Tunnelblick führt zu selbsterfüllenden Prophezeiungen, Denken und Handeln in Stereotypen und Klischees. Der Gruppendruck nimmt zu. 

Gesichtsverlust.
Jetzt werden die Angriffe deutlich und direkt. Engel und Teufel: es geht um »Demaskierung« und Gesichtsverlust. Ekelgefühle für die Teufel.  Ausstoßen, verbannen, Isolation – das sind die Handlungen.

Kommt es zu Drohungen und Gegendrohungen, sind wir bereits in der 6. Stufe angelangt: Drohstrategien. Es werden Sanktionen gefordert. Dosierte Gewalt wird bereits angedroht. Ein Ultimatum wird gesetzt. Der Konflikt soll beschleunigt werden. 

Begrenzte Schläge – nur noch zwei Stufen bis zum Abgrund. Begrenzte Vernichtungsschläge werden als »passende Antwort« gewertet. Ein relativ kleiner eigener Schaden wird schon als Gewinn verbucht.

Es folgt die Zersplitterung des Teams. Die Infrastruktur, das Nervensystem der Organisation werden angegriffen. Wichtigste Systemfaktoren werden zerstört. Das System wird unsteuerbar und zerfällt .

Gemeinsam in den Abgrund: Nun gibt es keinen Weg mehr zurück. Mit totaler Konfrontation gemeinsam in den Untergang. 

Gibt es Wege aus der Krise? Welche Interventionen helfen Konflikte zu bearbeiten?

Spätestens ab der dritten Eskalation des Konflikts -– wenn Reden nichts mehr hilft und Taten folgen – ist eine Prozessbegleitung sinnvoll. Mit dem externen Blick auf das Team und den Konflikt lassen sich Lösungen besser erarbeiten. Je weiter der Konflikt die Sachebene verlässt, desto dringender ist sozio-therapeutisches Fachwissen für die Konfliktlösung. Es kann Sieger und Verlierer geben, die Aufarbeitung berührt oft genug bereits tiefe Verletzungen der Beteiligten. Teams und Organisationen sind damit in der Regel überfordert. Organisationspsychologen haben die erforderliche Ausbildung und die entsprechenden Werkzeuge im Koffer. 

Dominieren Gesichtsverlust und Drohungen bereits den Konflikt, sind Vermittlung und die Einbeziehung von Schiedsverfahren erforderlich, um Konflikte zu deseskalieren. Hilft das alles nichts, dann bleibt nur noch der Machteingriff von aussen, um den Konflikt zu beenden.

Text: Martin Rzeppa nach Friedrich Glasl
Bilder: Titelbild krabbenpulen, Schaubild 2 Krabbenpulen nach Friedrich Glasl