»Ja, aber…« Probleme. Jammern. In unseren Seminaren und Workshops trainieren wir mit den Teilnehmern, darauf zu verzichten. Jammern wird verbannt für die Dauer des Workshops. 
Und ich dachte schon, wir sind damit allein auf weiter Flur. Bis ich diesen Artikel von Katharina Mau in Bento entdeckt hatte (8. Dezember 2019) Bento ist das junge Magazin vom Spiegel. Die Journalistin schreibt über ihre eigenen Erfahrungen mit Jammerfasten. Sie recherchiert, wo Jammern herkommt und warum Jammern unseren Blick auf die Welt und unsere Möglichkeiten trübt. 

»Mir fällt auf, dass ich manchmal jammere, weil ich nicht weiss, was ich sonst sagen soll.« berichtet Katharina Mau und zieht Bilanz nach einem Monat Jammerfasten mit der Challenge »16 Tage nicht jammern 2019«. Dadurch, dass wir grundsätzlich eher negatives sehen und viele Menschen nicht gegensteuern, entsteht eine Kultur des Negativen. Dabei wünschen wir uns doch vor allem positive Gedanken und Gefühle.

In unseren Workshops mit Betriebsräten, Gewerkschaftlern und Ehrenamtlichen in Verbänden und Vertretungsorganen stellen wir immer wieder fest, dass es nur wenigen Teilnehmer*innen gelingt, ihre Erfolge und Leistungen zu feiern. Haare in der Suppe überwiegen. Die Nutzen für Mitglieder und Belegschaften werden nicht gesehen. Anerkennung für gute Leistung wird sich gegenseitig  nicht gegönnt. Es überwiegt das negative Gefühl, nicht genug erreicht zu haben.

Unwort des Seminars = Probleme

Woher kommt das? fragt sich die Autorin und wird bei der Psychologin und Referentin für positive Psychologie Ilona Bürgel fündig: »Zu wissen, ob sich gerade ein Tiger anschleicht, war überlebenswichtig – sich darüber zu freuen, dass eine Beere besonders gut schmeckt, eher nicht.« So hat sich unser »katastrophisches Gehirn« entwickelt.

Und »das, was wir häufig denken oder tun, formt unser Gehirn. Es macht die Vernetzung zwischen bestimmten Nervenzellen stärker. Dadurch entstehen Routinen und wir merken gar nicht mehr, dass wir jammern oder negativ bewerten.«

»Darf ich mich gar nicht mehr ärgern oder beschweren?« fragt Katharina Mau. Negative Gefühle haben eine Hinweisfunktion, bestätigt die Psychologin. Es geht darum, sie zur Kenntnis zu nehmen und dann nach einer Lösung zu suchen.

Das Resümee von Katharina Mau: In der zweiten Hälfte meines Jammerfasten-Monats helfe ich auf einem Traditionssegelschiff bei der Werftzeit. Wir sind in Gruppen eingeteilt, meine Gruppe arbeitet draußen auf dem Schiff, es regnet. Als wir zusammenkommen, um die Aufgaben zu besprechen, sagt die Gruppenleiterin: »Ich wünsche mir, dass niemand jammert. Wenn die Sonne scheint, beneiden uns alle, aber wir arbeiten eben auch dann draußen, wenn es regnet.«

Es fühlt sich gut an, mit dieser Einstellung im Regen zu stehen. Am Nachmittag kommt die Sonne ein bisschen raus und über der Kieler Förde hängt ein Regenbogen, sogar eine doppelter. Ein anderer Helfer kommt aus dem Maschinenraum hoch und beschwert sich über den Regen. Ich freue mich über den Regenbogen.

Wir nehmen die Welt durch unterschiedliche Filter wahr. Wenn ich mich entscheide, positiv zu sein, dann sehe ich den Regenbogen. Bürgel sagt: »Das Denken hat Einfluss auf das, was wir wahrnehmen. Wenn man sagt: ‚Ich bin glücklich′, dann sieht man viel mehr Dinge, die schön sind und die gelingen.«

Na also. Dann lass uns aufhören mit dem Jammern und endlich unser Licht wieder auf den Scheffel stellen. Da gehört es hin – und nicht unter den Scheffel – damit es leuchtet, für uns und für die anderen.

Text: Katharina Mau (Bento 8. Dezember 2019)
Zusammengestellt von Martin Rzeppa 
Foto Einstein: nachbelichtet.com
Foto Probleme: krabbenpulen