Wie sich Berufstätige für Tätigkeiten motivieren können und Erfüllung im Job finden – und warum Betriebsräte eine Wertedebatte anstoßen sollten

Tatjana Schnell leitet als Professorin an der Universität Innsbruck die Arbeitsgruppe Empirische Sinnforschung. Sie findet es wichtig, zwischen einem als sinnvoll erlebten Job und dem Beruf als Sinnquelle für das Leben zu unterscheiden. »Ein sinnvoller Job ist nicht unbedingt einer, der meinem Leben Sinn gibt«, erklärt sie.

Grundsätzlich sei es aber von Bedeutung, dass Berufstätige ihren Job als sinnvoll erleben. »Wir stecken sehr viel Zeit in unseren Beruf – wird er als sinnlos erlebt, dann ist das eine sehr hohe Belastung.« Sinn bedeute für viele, sich mit dem eigenen Arbeitgeber und seinen Produkten identifizieren zu können. Doch wann ist das erfüllt? Denn generell bedeutet Sinn für jeden etwas anderes.

Sinnzuschreibung im Beruf sei »immer ganz subjektiv«, erklärt Tatjana Schnell – und abhängig von der eigenen Situation: Manche Menschen können etwa eine monotone Arbeit, bei der jeden Tag Stunde für Stunde die gleichen Tätigkeiten zu erledigen sind, als sinnvoll empfinden. Etwa, weil sie so die Familie ernähren.

In der Forschung gibt es vier Kriterien, um die Wertvorstellung vom eigenen Job messbar zu machen:

  • Zunächst einmal das Empfinden, dass der eigene Job eine Bedeutung hat (»Das kann man als Gegenteil von Egalsein verstehen«).
  • Das zweite Kriterium ist Kohärenz – »hier wird die Stimmigkeit überprüft«, erklärt Tatjana Schnell. Passe ich mit meinen Werten auf meine Stelle?
  • Drittens und viertens sind Orientierung und Zugehörigkeit wichtig. Das eine bezeichnet das Empfinden, dass man als Berufstätiger hinter dem stehen kann, was der Job oder das Unternehmen von einem verlangt. Das andere bezieht sich auf das Gefühl, am Arbeitsplatz als Mensch wahrgenommen zu werden – und nicht nur als eine Zahl oder Maschine.

»Diese Werte müssen einzeln nicht extrem stark ausgeprägt sein, um einen Job als sinnvoll zu empfinden«, betont Schnell. Wenn aber einer oder mehrere der vier Kriterien nicht erfüllt sind, bröckelt das berufliche Sinnerleben. In diesem Fall sollte man sich kritisch damit auseinandersetzen und nach konkreten Ursachen suchen. Hilfreich ist hier, die Vor- und Nachteile des eigenen Jobs zu notieren. »Die Nachteile werden meist deutlicher gefühlt – aber wenn wir aus einer Gesamtperspektive schauen, kann es sein, dass letztendlich doch die Vorteile überwiegen«, sagt sie.

Gerade wer wegen eines vermeintlich sinnlosen Jobs bereits innerlich gekündigt hat oder auf dem Weg ins Burn-out ist, sollte sich überlegen: Welche Möglichkeiten habe ich? Beschäftigte sollten sich dabei aber eine Sache vor Augen führen: »Es gibt nicht so viele Jobs, in denen ich die Welt retten kann. Arbeit ist heute meist Broterwerb. Das kann Kompromisse verlangen – die jedoch nicht unseren Werten widersprechen sollten«, sagt Schnell.

Die Professorin betont zudem, dass es nicht allein die Aufgabe des Einzelnen sei, sich zu motivieren, wenn man Aspekte des eigenen Jobs als wenig sinnvoll empfindet – sondern auch eine Aufgabe des Arbeitgebers. Es kann sich lohnen, zum Beispiel mit dem Betriebsrat zu sprechen und Veränderungen in der Organisationskultur anzustoßen – etwa, indem man sich über sinnlose Aufgaben beschwert und die Ursache für Motivationslosigkeit nicht nur bei sich selbst sucht. Manchmal helfe schon dieses Eingeständnis, wieder engagierter bei der Sache zu sein.

Dem sind zwei Dinge hinzuzufügen

  1. … Antworten auf die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit und die Werte die ich direkt oder indirekt mit der Arbeit verfolge oder verbinde, lassen sich auch systematisch in Teams, Abteilungen und Organisationen in Teamentwicklungsprozessen erarbeiten. Und …
  2. … die Wertedebatte in der Entwicklung von Teams gewinnt tatsächlich zunehmend an Bedeutung, was in Zeiten einer zunehmend irrationalen politischen Diskussion in vielen gesellschaftlichen Bereichen nicht nur nicht verwunderlich, sondern geradezu angezeigt ist. Viele Betriebsräte, insbesondere in größeren Organisationen, nutzen inzwischen Teamentwicklungsprozesse um eigene Positionen in der Wertedebatte zu gewinnen – zum Beispiel mit der Entwicklung eines Leitbildes.

Zusammengestellt von Axel Janzen