Der Fahrer eines Pariser Linienbusses hat im Oktober 2018 alle Fahrgäste aus seinem Fahrzeug geworfen, weil sie einem Rollstuhlfahrer keinen Platz zum Einsteigen machten. Nachdem alle den Bus verlassen hatten, ließ der Fahrer den an Multipler Sklerose leidenden François Le Berre, der deswegen im Rollstuhl sitzt, als Einzigen einsteigen und fuhr davon.

In sozialen Netzwerken schildert François Le Berre die Situation wie folgt: „Als mir niemand Platz machte, stand der Fahrer auf und sagte ‚Endstation! Alle aussteigen!‘ Dann kam er zu mir und sagte, ich könne einsteigen und die anderen sollten auf den nächsten Bus warten.“ (Le Point/focus online, 2.11.2018)

Diese beeindruckende Entscheidung des Busfahrers zeichnet ihn als mutigen und empathischen Konfliktmanager aus: nach einem sich abzeichnenden Konflikt zwischen den unterschiedlichen Interessen (bereits im Bus befindliche Fahrgäste vs. Rollstuhlfahrer vor der Bustüre), analysiert er zunächst den zunehmend „heißen“ Konflikt (Fahrplan und Zeitüberschreitung) und stellt fest, dass wesentliche Beteiligte (die bereits im Bus befindlichen Fahrgäste) an einer Konfliktlösung nicht interessiert sind. Nach der Abwägung der Konsequenzen (Arbeitsrecht, Anzahl und Ärger der Fahrgäste), entscheidet er sich für die Unterstützung des schwächsten Konfliktbeteiligten (Rollstuhlfahrer), der droht zum Verlierer des Konflikts zu werden, weil die Gegenpartei (Fahrgäste) an einer Lösung nicht interessiert ist und durch ihre schiere Anzahl einen erheblichen Vorteil genießt – und der in diesem Moment Werte wie Mitmenschlichkeit und Gleichberechtigung unwichtig sind.
Der Busfahrer macht schließlich von seinem „Hausrecht“ Gebrauch und wirft alle (Fahr-)Gäste vor die Tür, um für einen Schwerbehinderten Platz zu schaffen.

Betriebsrät*innen sind ebenfalls ständig als Streitschlichter*innen gefordert, um zwischen Belegschaft und Geschäftsführung im Großen und Kleinen zu vermitteln. Dabei helfen Kenntnisse in professionellem Konfliktmanagement um die Situationen und Sachverhalte zunächst zu analysieren, danach geeignete Lösungswerkzeuge zu nutzen und schließlich zu einer schnellen, mutigen und empathischen Entscheidung zu gelangen.

Übrigens: RATP, der Betreiber des öffentlichen Nahverkehrs in Paris, sprach seinem Busfahrer ein Lob für die Aktion aus.  

Foto: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Scania_Omnicity_9392_RATP,_ligne_64,_Paris.jpg (Symbolbild)