Der renommierte Zukunftsforscher Matthias Horx erkennt gegenwärtig eine Ära von Gegen- und Rebellionstrends. Gruppen von Menschen würden sich den großen Megatrends inzwischen widersetzen. Es ginge ihnen dabei hauptsächlich um gute Werte, die sie durchsetzen wollen. Gegen das »allmächtige Lärmen des Medialen« entwickle sich eine Sehnsucht nach der Stille. Gegen den gravierenden Individualismus setzte sich die Kooperation durch, gegen die Fake-Welt trete eine Bewegung der radikalen Ehrlichkeit an – gegen eine depressive Grundstimmung entstehe ein neuer Mut zum Mut – so Horx in einem Interview mit dem Weser-Kurier.
Der digitale Fortschritt werde zunehmend weniger als Verheißung empfunden, sondern als Überforderung, als Entmenschlichung – als Terror des Klicks. Die Menschen hätten das Gefühl, sie werden von außen verrückt gemacht und könnten sich gar nicht mehr selbst spüren, wie sie wirklich seien.
Gerade junge Menschen seien skeptisch. Laut Umfragen finden es mehr als 60 Prozent bedenklich, dass sich die ganze Welt in Nullen und Einsen auflösen lassen solle. Die Zuwachsraten bei den sozialen Medien in Industrienationen nehmen ab.
Dabei gehe es nicht um Ent-digitalisierung, sondern um Post-digitalisierung. Es ging um die Frage, wie der Computer gesellschaftlich und individuell gezähmt werden könne. Menschen seien analoge Wesen – und zu viel Virtualität mache krank. Es werde ein neuer Kompass benötigt, der eine neue, aber nicht technikfeindliche digitale Aufklärung beinhalte.
Die künstliche Intelligenz werde überschätzt die meisten realen Probleme seien viel zu komplex und »lebendig«. Computer und Roboter könnten weder die Pflege regeln, noch Armut mildern. Dazu brauche es intelligentere soziale, humane Systeme.
Die Herausforderungen der Digitalisierung der Arbeitswelt, d. h. die Auseinandersetzung mit dem Begriff ‚Industrie 4.0‘ können, nach dieser These, nur über die systematische Auseinandersetzung und Entwicklung von Visionen und Werten geführt werden, die eine Orientierung bieten, wie mit dem sich abzeichnenden Verlust von Arbeitsplätzen umgegangen werden soll und neue Anforderungen und Qualifikationen für Arbeitende entwickelt werden können.
Teamentwicklung für Betriebsräte und die wirtschafts- und gesellschaftspolitische Diskussion in Gewerkschaften muss sich verstärkt mit der Wertediskussion, der Entwicklung von Visionen und Leitbildern beschäftigen, um Antworten auf die oben genannten Herausforderungen zu finden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Generationen X, Y und Z inzwischen eine post-digitalisierte Haltung einnehmen und eine Rückbesinnung auf authentische, analoge, d. h. menschliche und mitmenschliche Werte fordern. Das handgemalte Protestplakat ‚Skolstrejk för klimatet‘ einer jungen schwedischen Schülerin erhebt nicht weniger als die Existenz des Planeten zum zentralen Wert zukünftigen menschlichen Handelns…
Text: Axel Jansen