Jede Kultur kennt Wörter für positive Gefühle, die es so nur in ihrer Sprache gibt. Der Psychologe Tim Lomas hat ein internationales Glücks-Glossar erstellt – damit jeder glücklicher werden kann.
Er sammelt Begriffe für Gefühle, für die es in anderen Sprachen keine Übersetzung gibt. An seinem »Happy word Project« arbeiten Menschen weltweit mit. Jetzt ist sein neues Buch erschienen. Reinhard Keck hat ihn in London getroffen.

In den vergangenen vier Jahren hat der Wissenschaftler mehr als 900 »unübersetzbare« Ausdrücke gesammelt, aus beinahe 100 Sprachen.
Es sind Begriffe, die das Wohlbefinden im weitesten Sinne beschreiben: Wörter wie gigil, so nennt man in der Philippinischen Sprache Tagalog den Drang, jemanden aus Liebe zu kneifen. Oder cafuné, Portugiesisch für das zärtliche Streicheln der Haare einer geliebten Person. Oder das norwegische utepils, das Bedürfnis, am ersten sonnigen Tag des Jahres unter freiem Himmel ein Bier zu trinken.

»Mit diesen Wörtern können wir Gefühle mitteilen, von denen uns nicht mal bewusst war, dass wir sie empfinden«, sagt Lomas. »Wir lernen neue Seiten unseres Lebens und unseres Ichs kennen, öffnen Fenster zu neuen Welten.«
»Nehmen wir hygge: Sicherlich haben Sie vorher schon hyggelige Situationen erlebt, aber sie hatten nicht den passenden Ausdruck dafür. Wenn Sie aber nun ein Label dafür haben, fallen Ihnen Dinge, die hygge sind, womöglich stärker auf. Wenn Sie ein Wort für ein Gefühl oder eine Handlung haben, macht es das konkreter. Sie erinnern sich stärker an etwas, das Sie benennen können. Sie suchen auch mehr danach und kultivieren es dann vielleicht auch stärker.«

Vor der Fussball WM 2018 überlegte er, wie Fans Rivalität und Nationalstolz positiv ausleben können, und er erinnerte sich an das Konzept des fiere. So nennen Italiener ein Gefühl von Stolz und Freude. Mit Hochmut oder Herabsetzung des Gegners hat es nichts zu tun. Eher mit dem Glück, alles zu zeigen, was in einem steckt.
Lomas empfiehlt den britischen Hooligans: Jubelt mit fiero im Herzen über die Siege Eurer Elf. Dann könnt ihr die Erfolge vielleicht noch mehr genießen. Er glaubt: »Wenn Du ein positives Gefühl benennen kannst, sucht Du eher danach und machst es Dir zu eigen.«

Die deutsche Sprache schätzt Lomas besonders. »Sie ist sehr kreativ und kann komplexe Gefühle in einem Wort ausdrücken«, sagt er. Was also macht uns Erfinder des Weltschmerz glücklich? Fühlen wir uns am wohlsten, wenn wir Gemütlichkeit und Geborgenheit nach Feierabend am Stammtisch empfinden? Oder spüren wir dem Dasein lieber in der Waldeinsamkeit nach?
Lomas lehrt Positive Psychologie, eine noch junge Disziplin, die etwa Emotionale Stärke, Optimismus oder Zufriedenheit erforscht.
Der Forscher sagt,  er sei auch selbst durch sein Projekt glücklicher geworden. »Was wir als Realität berichten, ist das Ergebnis unserer Wahrnehmung der Welt – und heute nehme ich positive Emotionen wahr, für die mir vorher die Worte gefehlt haben.«

Glücksgefühle in ein paar Begriffen


Abhisar (bengalisch): (sich auf den Weg machen zu einem) Treffen (meist geheim) zwischen Liebenden/Partnern.
Aloha (hawaiisch, Begrüssung): Hallo!, Willkommen!, Tschüss!, Auf Wiedersehen!, Mach’s gut!
(im eigentlichen Wortsinn steht die Silbe «alo» jedoch für «in Anwesenheit von», und die Silbe «ha» für «Odem des Lebens». Es impliziert: Die Gesprächspartner sind sich der Anwesenheit Gottes bewusst.
Aware (japanisch): der bittersüsse Moment, in dem etwas übernatürlich Schönes vergeht.
Cafuné (portugiesisch): der Akt / die Geste, jemandem zärtlich mit den Fingern durchs Haar zu streichen.
Se déhancher (französisch): die Hüften schwingen (beim Tanzen).
Fēng yùn (Mandarin): persönlicher Charme und anmutiges Verhalten.
Forelsket (norwegisch): das euphorische Gefühl, sich zu verlieben.
Jayus (indonesisch): ein Witz, der so unlustig oder so lahm erzählt ist, dass man nicht anders kann, als zu lachen. 
Mbuki-mvuki (Bantu): die Kleider ausziehen, um zu tanzen.
Shěnměi píláo (Mandarin): ästhetisch-überwältigend / so viel Schönheit sehen, dass man sie gar nicht mehr schätzen kann.
Sobremesa (spanisch): wenn das Essen vorbei, die Unterhaltung am Tisch aber noch im vollen Gang ist.
Sólarfrí (isländisch): Sonnen-Feiertag/sonnenfrei. Wenn ein Arbeitnehmer unerwartet frei bekommt, um einen besonders schönen Tag zu geniessen.
Sprezzatura (italienisch): die Kunst, den Anschein der Leichtigkeit / Mühelosigkeit unter allen Umständen (auch bei der Bewältigung schwieriger Probleme) zu bewahren. 
Tarab (arabisch): durch Musik ausgelöste Ekstase / Entzücken. 
Utepils (norwegisch): Bier, das draussen getrunken wird (insbesondere am ersten warmen Tag des Jahres).
Wai-wai (japanisch): das Geräusch spielender Kinder.
hyggelik (dänisch):  glückselig-gemütlich. (norwegisch) koselig. (schwedisch) mysa.
storge (griechisch): die Liebe in der Familie

Zusätzliche Angaben:
Texte von Reinhard Keck  (Bento September 2019) und Silke Wichert (NZZ Digital 29.1.2017)

Links:
Happiness – Found in Translation
A glossary of Joy from around the World
Tim Lomas
illustriert von Anika Huett
erschienen am 17.9.2019
bei Penguin Random House
Tim Lomas (@drtimlomas) Twitter

Wörter die glücklich machen: Bei diesem Vater mit seinem Sohn passt sicher das griechische „storge“, das dänische „hyggelig„, aber vielleicht auch das isländische „sólarfri„. © StockSnap 

Texte von Martin Rzeppa