Fachkräftemangel – worauf Firmen (und Betriebsräte) bei der Suche nach neuen Mitarbeiter*innen achten müssen/sollten
Wenn Yvonne Höft wissen möchte, wie sehr sich ihr Beruf gewandelt hat, muss sie nur auf alte Stellenanzeigen schauen: das ist der Job und das müssen Bewerber*innen mitbringen – so hatte es früher ausgesehen, wenn Unternehmen neue Mitarbeiter*innen suchten.
Doch diese Zeiten sind vorbei. »Eine gute Stellenausschreibung hat heute auch viel mit Marketing zu tun«, sagt Höft. Sie ist beim Deutsche Milchkontor (DMK) für das Recruiting und das sogenannte Employer-Branding verantwortlich, also dafür, wie das Unternehmen als attraktiver Arbeitgeber auftreten kann.
Denn darauf kommt es mittlerweile an: attraktiv sein für Bewerber*innen. Nicht nur Fachkräfte fehlen in vielen Unternehmen. Es wird auch immer schwieriger, weniger qualifizierte Mitarbeiter*innen zu finden. Darauf reagieren die Unternehmen, etwa mit veränderten Stellenanzeigen. Laut Höft steht heute viel mehr im Zentrum, was das Unternehmen den Mitarbeiter*innen bietet, welches Extraleistungen es gibt, wie sich Mitarbeiter*innen weiterentwickeln können. Auch die Länge, die Gestaltung und der Ort, wo eine Annonce veröffentlicht wird, sind wichtig.
»Was bringt mir die beste Stellenanzeige, wenn sie keiner sieht?«, sagt Marc Grube. Er ist Personalleiter und Prokurist bei Faun in Osterholz-Scharmbeck. »Wir müssen schauen, wie wir uns vom Wettbewerb abheben«, sagt Grube. Gerade für Mittelständler sei das aber nicht immer einfach. Anders als Konzerne müsse man sich als kleineres Unternehmen fokussieren, könne nicht jedes Extra für die Mitarbeiter*innen anbieten. Manchmal helfe beim Selbstmarketing das eigene Produkt, sagt Grube. Faun stellt unter anderem Müllwagen her, bald sollen auch welche mit Brennstoffzelle und Wasserstoffantrieb in der Fertigung entstehen. Das könne auch auf das eigene Image abfärben – ganz nach dem Motto: Wer sich mit Zukunftstechnologien beschäftigt, ist sicher auch ein moderner Arbeitgeber.
Was auch festzustellen sei: Das Verhältnis zwischen Bewerber*innen und Unternehmen hat sich geändert. Waren potenzielle neue Mitarbeiter*innen früher eher Bittsteller, sind sie heute Gesprächspartner auf Augenhöhe, bestätigt René Alexander Wessels von der Personalberatung Dr. Schwerdtfeger aus Emstek. Er hilft Unternehmen in der Region bei der Mitarbeiter*innengewinnung, sucht etwa Kandidat*innen für offene Stellen. »Früher haben wir einem Bewerber gratuliert, wenn sich ein Unternehmen für ihn entschieden hat«, sagt Wessels. »Heute ist es andersherum.«
Dass sich mit dem zunehmenden Fachkräftemangel ihr Job noch mehr wandelt, davon sind Höft und Grube überzeugt. Auch Vorgesetzte seien vermehrt in der Pflicht. »Führungskräfte müssen überlegen, wie sie ihre Mitarbeiter*innen weiterentwickeln können«, sagt der Faun-Personalchef. Daher würden Vorgesetzte heute nicht mehr nur nach ihrem fachlichen Know-how ausgesucht werden, sondern auch danach, wie gut sie die Potenziale ihrer Mitarbeiter*innen erkennen können.
Aus organisationspsychologischer Sicht ist den Aussagen der Personalleitungen nur zuzustimmen. Personalplanung, Personalakquise, Personalauswahlverfahren, Personalführung und Personalentwicklung ist zu einem umfangreichen Prozess geworden, bei dem die unterschiedlichen Interessen und Anforderungen zunehmend komplexer werden. Dabei verändern sich nicht nur die Anforderungen und Qualifikationen für neue Mitarbeiter*innen*innen, sondern Unternehmen müssen sich auch mit weichen Themen wie Organisationsimage, Work-Life-Balance und sozialen Kompetenzen von Führungskräften auseinandersetzen.
Ähnliche Herausforderungen stellen sich allerdings nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für deren Betriebsräte, die die Geschäftsführungen über die veränderten Rahmenbedingungen informieren müssen, die veränderten Ansprüche der Belegschaft gegenüber den Geschäftsführungen vertreten müssen – und nicht zuletzt den Betriebsrat als Team vor dem gleichen Hintergrund entwickeln müssen.
Zusammengestellt von Axel Janzen