Ver.di hat die Betriebsratswahl bei einer Servicegesellschaft erfolgreich angefochten. Eine konkurrierende Liste war aufgrund ihrer Namensgebung zum Verwechseln ähnlich, sodass der Wahlvorstand sie nicht hätte zulassen dürfen.
Wer ein erfolgreiches Produkt am Markt platziert hat, sieht sich oft mit Nachahmungen konfrontiert. Er kann sich dann mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts gegen Plagiate wehren. So hat der Bundesgerichtshof erst vor kurzem entschieden, dass es nur eine quadratische Schokolade in deutschen Supermarktregalen geben darf. Ein solcher Markenschutz besteht auch im politischen Wettbewerb im Betrieb.
»Ver.di« oder »Fair.die«?
So klagte die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di gegen eine Betriebsratswahl, an der neben der Gewerkschaftsliste mit dem Kennwort »Ver.di« eine weitere Liste mit dem Kennwort »Fair.die« teilgenommen hatte. Der Wahlvorstand hatte beide Listen zugelassen.
Bei dem Betrieb handelt es sich um eine Servicegesellschaft mit mehr als 1.600 Beschäftigten. Der Großteil der Beschäftigten ist als Reinigungskraft in Schulen, Kindergärten und Bürogebäuden eingesetzt.
Das Kennwort »Fair.die«, so die Gewerkschaft, ähnele dem Eigennamen so sehr, dass beide leicht miteinander verwechselt werden könnten. Betriebsrat und Arbeitgeber sahen eine solche Verwechselungsgefahr nicht.
LAG: Ähnlichkeit besteht sowohl bei Schreibweise, als auch in der Aussprache
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat – ebenso wie zuvor das Arbeitsgericht Essen – der Wahlanfechtung der Gewerkschaft entsprochen. Es hat festgestellt, dass die Betriebsratswahl unwirksam ist.
Das Landesarbeitsgericht beruft sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach durch Kennwörter keine Verwechselungsgefahr zwischen mehreren Vorschlagslisten eintreten darf. Irreführend und damit unzulässig ist auch die Verwendung der Bezeichnung der Gewerkschaft im Kennwort einer Liste, wenn es sich nicht um eine »echte« Gewerkschaftsliste handelt.
Bereits die Schreibweise der beiden Kennwörter sei sehr ähnlich. In der Aussprache sei kaum ein Unterschied wahrzunehmen. Es bestehe daher die Gefahr, dass im Rahmen von Diskussionen im Betrieb die beiden Kennwörter nicht auseinander gehalten werden können. Somit bestehe letztlich ein irreführender Einfluss auf die Wählerinnen und Wähler und damit das Wahlergebnis.
Außerdem könne der falsche Eindruck entstehen, die Liste »Fair.die« sei von der Autorität der Gewerkschaft getragen. Mit dem Beschluss des Landesarbeitsgerichtes endet automatisch die Amtszeit des Betriebsrats.
Das sagen wir dazu:
Diese Entscheidung muss man sich im wahrsten Sinne des Wortes auf der Zunge zergehen lassen. Die Richterin und Richter mussten die Kennwörter sicher nur einmal laut aussprechen, um hier zum richtigen Ergebnis zu gelangen. Denn, phonetisch besteht zwischen den beiden Kennwörtern kein Unterschied. Es ist daher nicht einmal ein Fall von Ähnlichkeit, sondern jedenfalls in der gesprochenen Sprache von Identität.
Da macht es auch nichts, wenn die Schreibweise doch ein ganzes Stück divergiert, zumal das Original trotz seiner italienischen Anmutung ohne Fremdwort auskommt. Denn erstens ist die Ähnlichkeit hier immer noch erheblich und zweitens stellt das Gericht vollkommen zurecht auch auf den Sprachgebrauch ab.
Hier beweist es durchaus einen realistischen Blick für die Gepflogenheiten in einem Betrieb, wenn es davon ausgeht, dass betriebspolitische Diskussionen in der Regel mündlich geführt werden. Aber wie soll man ernsthaft inhaltliche Unterschiede herausarbeiten, wenn die Namensunterschiede nicht vorhanden sind?
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 31. Juli 2020 – 10 TaBV 42/19
Arbeitsgericht Essen, Beschluss vom 16. April 2019 – 2 BV 60/18
verdi, 23. September 2020
Autor: Michael Rasch