Wer regelmäßig mehr als acht Stunden am Tag arbeitet, ist in seinen Überstunden nicht mehr effizient, produktiv und leistungsfähig, das ist inzwischen erwiesen. In Dänemark wird dies beherzigt, schreibt das Magazin managerSeminare in seiner Ausgabe November 2019. Hier wird in der Regel nicht länger als von 8.00 bis 16.00 Uhr gearbeitet, mit einer halben Stunde Pause. Kolleginnen und Kollegen, die regelmäßig länger als 16.00 Uhr arbeiten, werden in Dänemark nicht als besondere Leistungsträger bewundert, sondern gelten als unorganisiert. Was wir in punkto »Job Health« von Dänemark lernen können.

Hygge heißt: Leben und arbeiten in tiefer Zufriedenheit, berichtet Andrea Fischer aus der »Arbeitsgesundheit auf Dänisch«. 

Hygge ist der skandinavische Begriff für eine Art Gemütlichkeit, verbunden mit Gefühlen von Glück. Ursprünglich leitet sich das Wort vom norwegischen »hu« ab, was übersetzt Sinn, Gedanke oder auch Wohlbefinden bedeutet. In Dänemark hat sich der Begriff zu einer kulturellen Identität entwickelt, als Teil ihrer nationalen Eigenart. Die Dänen achten auf Erlebnisse, die sie mit tiefster Zufriedenheit erfüllen – und das nicht nur im privaten Umfeld, sondern auch im beruflichen. Kein Wunder, dass Dänemark seit Jahren im »World Happiness Report«, einer globalen Glücksstudie unter 150 Nationen, zu den glücklichsten Ländern der Welt zählt.

Glück im Büro: Wie geht das?

Um Glück im Büro zu ernten, müssen fünf Felder bearbeitet werden:  Die eigene Einstellung; die Arbeitsplatzgestaltung; Arbeitszeit und Arbeitsort; kollegiales Miteinander; Führungs- und Unternehmenskultur.

Mit dem Prinzip Hygge geht eine ganzheitliche Sicht einher, beschreibt die Autorin ihre Hygge-Erfahrung: Statt zwischen Freizeit und Arbeitszeit zu unterscheiden, wird alles zusammen als Lebenszeit betrachtet. Es geht nicht darum, im Job seine Energie zu lassen, um sie dann – wie es die Work-Life-Balance -Theorie glauben machte – in der Freizeit wieder aufzutanken, mit dem Ziel , ins Gleichgewicht zu kommen.

Es darf auch bei der Arbeit gemütlich sein. In einer behaglichen Umgebung fühlen wir uns sicher, und das bedeutet: Wir können freier und besser denken. Unternehmen sind daher gut beraten, wenn sie Mitarbeitenden freie Hand bei der Gestaltung ihrer Arbeitsplätze geben. Einfach nur Tischkicker und Pflanzen in die Aufenthaltsräume stellen und warten, dass es besser wird, zielt daneben. Mitbestimmung und Mitgestaltung sind gefragt. Produktivität und Gemütlichkeit dürfen zusammenspielen.

Zu einem gesunden, entspannten Arbeitsumfeld trägt es entscheidend bei, wenn Mitarbeitende zeitweilig von zu Hause aus arbeiten und sich die Anfahrtswege zur Arbeit sparen. Laut einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem Jahr 2016 wird die Möglichkeit zum Homeoffice in Deutschland bei Weitem nicht ausgeschöpft. Jede und jeder dritte Arbeitnehmer/in möchte gerne zeitweise von zu Hause aus arbeiten, aber nur jede und jeder Zehnte tut es. In Dänemark dagegen nutzen jede und jeder Vierte ein Home Office.

Ein Credo von Hygge ist wohlige Gemeinschaft, auch im Jobkontext. Die Basis dafür sind gesunde Gespräche. Es geht um Gespräche, die guttun, von Mensch zu Mensch, nicht von Berufsgruppe zu Berufsgruppe  und auch nicht von Status zu Status. 

Nicht erst seit New Work sondern seit den Jahren vor der Jahrhundertwende achten Dänen auf flache Hierarchien und autonome Arbeitsgruppen, in denen – je nach Projektthema und -komplexität – immer mal jemand anderes den Hut aufhat. 

Der Berufsverband Deutscher Psychologen bestätigt, dass Unternehmenskultur und Gesundheit aufs Engste miteinander verbunden sind. Insbesondere, dass das Wohlbefinden der Mitarbeitenden stark vom Verhalten der Führungskräfte beeinflusst wird.

Ob es die Arbeitsplatzgestaltung, die flexiblen Arbeitszeitmodelle, das wertschätzende Miteinander, die förderliche Meetingkultur ist oder die Haltung: Hyggelige Neuerungen setzen sich nur als gemeinsame Errungenschaft durch, indem die Mitarbeitenden gefragt und ihre Vorschläge beherzigt werden. Da ist sich Andrea Fischer sicher.

Hygge-Lexikon

Hyggelig: wird als Adjektiv verwendet, um auszudrücken, dass etwas gemütlich, angenehm und gut ist. Auch als begriff für positive Empfindungen im Sinne von »geborgen«, »herzerwärmend« oder »behaglich«.

Hyggen: Das Verb zum Adjektiv »hyggelig«. Eine Tätigkeit, die Behaglichkeit erzeugt.

Baggrundshygge: Wie Hintergrunds-Hygge. Hyggelige Musik im Hintergrund, spielende Kinder, singende Vögel, plaudernde Gäste, Gelächter und andere Dinge, die sich im Hintergrund abspielen.

Caféhygge: Eine hyggelige Zeit in einem hyggeligen Café verbringen und Hygge geniessen.

Familienhygge: Eine hyggelige Zeit mit der Familie verbringen. Mit der Familie ein Spiel spielen, gemeinsam kochen, gemeinsam Zeit in der Natur verbringen.

Fredagshygge: Freitags-Hygge. Hyggelige Zeit mit der Familie und Freunden, leckerem Essen, Kerzen und guten Gesprächen nach einer Arbeitswoche.

Hjemmehygge: Heim-Hygge. Sich einen gemütlichen Abend zu Hause machen, satt wegzugehen.

Hyggebelysning: Hygge-Beleuchtung. Für die Dänen ist es sehr wichtig, welche Lampen und sonstigen Leuchtmittel einen Raum erhellen. Es dürfen keine Neonröhren sein, sondern verschiedene warme Lichtquellen an verschiedenen Stellen im Raum. Kerzenlicht  ist am hyggeligsten.

Hyggebold: Hygge-Ball. Spaß-Kicken. Man spielt Fußball, um sich zu amüsieren und abzulenken, nicht um zu gewinnen. Dazu braucht man noch nicht einmal Tore oder Mannschaften, sondern kickt den Ball einfach nur hin und her.

Hyggehejsja: Grußformel für Menschen, die sich nahestehen. Sowohl zur Begrüßung, als auch beim Abschied. Ein salopper, nicht förmlicher, fröhlicher Gruß.

Hyggemennesker: Hygge-Menschen. Menschen, die man sehr gerne hat, weil man sich in ihrer Gegenwart sehr wohlfühlt.

Hygge-Snak: Ein schönes,  angenehmes Gespräch, das den Menschen ein gutes Gefühl beschert. Auch als Verb verwendet: »Wir haben bis tief in die Nacht gehyggesnakt«.

Entdeckt, gelesen und zusammengestellt von Martin Rzeppa
Foto: Springer Verlag 
Texte: Auszüge aus Andrea Fischer, Hygge im Büro, managerSeminare November 2019 und Andrea Fischer, Glücklich im Job mit Hygge, Springer 2019