Aus der Zukunftswerkstatt. So stellen sich die Betriebsräte ihre Zusammenarbeit 2025 vor: Ein buntes und engagiertes überschaubares Team am runden Tisch. Hier geht es um die besten Ideen, erreichbare Ziele und fundiertes Wissen. Der Tarifvertrag sitzt mit am Tisch und schafft Sicherheit. Die Tür ist offen – Geheimrat war gestern…

Was zeichnet eine wirklich gute Teamarbeit am Ende aus? Was stärkt den Teamgeist am besten? Und was schwächt den Teamgeist? 
Wie viel Autorität benötigt und verträgt ein Team?  Was muss ein Teamleiter können?

»Hannemann geh Du voran«. Das ist schon lange vorbei. Betriebsräte arbeiten heute längst in Themen und projektbezogen in Teams. Dennoch: die Frage nach Leitung und Führung in Betriebsratsgremien und Gewerkschaftsgliederungen ist sehr umstritten. 
»Kleine Ensembles spielen besser ohne Dirigent«. Der Artikel zu Teams und Führung im Spiegel hat mich neugierig gemacht. Der Soziologe Armin Nassehi ist Experte über Zusammenarbeit und seit 1998 Professor für Soziologie an der Uni München.

Armin Nassehi forscht  zu Teams und Führung. Was stärkt den Teamgeist am besten? Und was schwächt den Teamgeist?
Kreative Spannung, eine wechselnde Betriebstemperatur und eine veränderliche Umdrehungszahl – so ticken gute Teams. Die Kompetenzen und die Intelligenz sollten in einem Team unterschiedlich verteilt sein, das hat er herausgefunden. »Für ein erfolgreiches Arbeiten muss jedes Mitglied einen sichtbaren Anteil am Fortschritt und am Ergebnis haben«.
Konflikte lähmen das Team, »wenn Mitglieder nicht gehört werden, wenn ihre Arbeit keine Spuren hinterlässt, wenn ihr Beitrag nicht richtig wertgeschätzt wird.« Besteht ein Team schon zu lange oder bekommt es keine neuen Impulse von außen, schwächt das den Teamgeist.

Was zeichnet eine wirklich gute Teamarbeit am Ende aus?
Ein Ergebnis, das keiner vorausgesehen hat und das besser ist als das erwartete Resultat. Die gestellten Aufgaben werden gemeinsam einfacher und schneller gelöst.
Armin Nassehi: »Ein Beispiel aus meiner Forschung ist die Palliativmedizin. Dort arbeiten unterschiedliche Menschen zusammen – Ärzte, Pfleger, Seelsorger und Sozialarbeiter. Sie kümmern sich aus unterschiedlichen Perspektiven um sterbende Patienten.
Ein weiteres Beispiel findet sich auf einem ganz anderen Gebiet, dem Programmieren von Software. Hier ist das Arbeiten im Team, in sogenannten Ad-hoc-Gruppen, so selbstverständlich geworden, dass die Idee einer Autorschaft vollkommen in den Hintergrund getreten ist.«

Brauchen Teams einen Dirigenten?
Der Forscher führt ein Beispiel aus der Musik an: kleinere Ensembles , etwa Streichquartette, spielen ohne Dirigenten besser zusammen – harmonischer, reibungsloser. Hingegen braucht ein Orchester einen Dirigenten. Es gibt eine kritische Masse, ab der ein Team personifizierte Führung benötigt, hat er herausgefunden: sie liegt meist bei etwa sieben Mitgliedern. Teams mit mehr als 13 bis 20 Mitgliedern bezeichnet die Organisationspsychologie bereits als Großgruppe. 

Die Anforderungen an eine Teamleitung wachsen mit der Größe des Teams.
Sie darf das Ziel nicht aus den Augen lassen und muss die richtigen Teilaufgaben an die richtigen Mitglieder delegieren. Weil im Wettbewerb um die beste Idee persönliche Konkurrenzen im Team entstehen können, muß sie in der Lage sein, diese Konflikte zu moderieren. »Der Erfolg eines Teams orientiert sich nicht in erster Linie an der Zufriedenheit seiner Mitglieder, sondern immer am Ergebnis ihrer Kooperation.« Darauf hat die Leitung zu achten.

Wie viel Autorität verträgt ein Team?
Inoffizielle oder implizite Autoritäten bilden sich in gut geführten Teams ohnehin heraus, hat der Soziologe herausgefunden. Eine offizielle oder explizite Leitung eines Teams führt durch kluge Moderation. Sie klopft die unterschiedlichen Beiträge ab auf ihre Perspektiven und ihren Nutzwert – und akzeptiert dabei auch unerwartete Lösungen. 
Das funktioniert nicht durch direktives Führen, sondern durch geschickte Kommunikation im Team, da ist er sich sicher.  Sie bringt dann etwas Neues nach vorn, das ohne die Teamarbeit nicht entstanden wäre.
Auch für Betriebsräte ist das wichtig: wird das Gremium größer, verändert sich das Team und wächst der Bedarf an Leitung. In der Großgruppe verhalten sich Mitglieder anders als in kleinen Teams. Erfolgreiche Betriebsräte kommen in Projekten und mit themenbezogenen überschaubaren Teams deshalb schneller zum Ziel. 

»Gleiche unter Gleichen; darf zur Sitzung einladen.« Viele Betriebsräte und Betriebsratsvorsitzende fremdeln mit Leitung und Führung. Gleichzeitig wachsen die Erwartungen an und die Aufgaben von Teamleitungen. Das stellen wir immer wieder in Projekten zur Teamentwicklung von Betriebsräten fest. 
Gerade für Teams, die schon lange  zusammenarbeiten, helfen im Veränderungsprozess Impulse und der »Blick von aussen«.
Offene und geschickte Kommunikation im Team leben. Gemeinsam Erfolge feiern – jedes Mitglied hat einen sichtbaren Anteil am Fortschritt und am Ergebnis. Konflikte moderieren, bevor sie das Team lähmen. Erfolgreiche Betriebsräte sind Teamplayer und schätzen eine qualifizierte Teamleitung.

Aus der Teamentwicklung einer Großgruppe. So sehen wir unser Team: Es gibt Schafe und schwarze Schafe; zwei Hunde passen auf und über allen wacht der Schäferkönig (aus einer kreativen Teamanalyse ).

Glossar:
Der Soziologe Armin Nassehi ist seit 1998 Professor für Soziologie an der Uni München. Der Experte für Gruppendynamik wurde 2020 mit dem Schaler-Preis ausgezeichnet.

Texte: 
Zitate aus Sieben Fragen an den Experten für Gruppendynamik Armin Nassehi. Interview mit Michael O.R. Kröher. Spiegel Job und Karriere, 9. Dezember 2020

Gelesen und zusammengestellt von Martin Rzeppa
Fotos: Martin Rzeppa