»Gefühle sind lediglich das, was wir wahrnehmen, also das Offensichtliche: Trauer, Freude, Wut, Eifersucht. Emotionen dagegen sind größtenteils unbewusst und fungieren als Triebfeder oder Motor für all unsere Handlungen und Empfindungen. Gefühle kann man übrigens vorspielen, Emotionen entstehen schon vor der Bewusstmachung und können nicht simuliert werden.« Emotionsforscherin Carmen Schenkel misst Emotionen und ihre körperlichen Phänomene bei der Wirkung von Werbung und Markenkommunikation. Emotionen sind valide messbar, weil sie zwingend mit körperlichen Phänomenen einhergehen. Das interessiert auch Betriebsräte, Gewerkschafter und Verbände.
Die unsichtbare Sprache des Körpers zu entziffern und tiefenpsychologische Erkenntnisse mit harten emotionalen Kennwerten zu verbinden: Warum komme ich nicht so gut an wie meine Konkurrenz? Wie kann ich meine Kunden besser verstehen? Wie kann ich neue Zielgruppen erschließen? Welche Emotionen lösen meine Botschaften und Bilder aus? Darum geht es.
Die Neurowissenschaft hat längst herausgefunden, dass jede Emotion sich durch ein ganz bestimmtes körperliches und komplexes Signalmuster ausdrückt. Emotionsforscher wie Carmen Schenkel haben Verfahren entwickelt, wie sie daraus mit Hilfe eines Algorithmus Muster von handlungsbestimmenden emotionalen Zuständen ermitteln: Relevanz, Attraktion, Sympathie, emotionale Nähe, Vertrauen, Skepsis und Stress. Dazu erfassen sie über 20 biometrische Signale und bewerten die Wirkung vom Markenauftritt bis zu Print- und Digitalmedien. »Wer emotional keine Bedeutung auslöst, hat sein Budget unnötig verschenkt«, ist sich Carmen Schenkel sicher.
»Bei Emotionen sind wir alle relativ ähnlich gebaut, wenn es um die körperlichen Reaktionen geht. Allerdings reagieren nicht alle Menschen gleich auf die gleichen Dinge«, hat die Geschäftsführerin von September Strategie & Forschung herausgefunden.
»Unternehmen überfordern gern ihre Kampagne und damit ihre Zielgruppe, indem sie zu viel gleichzeitig kommunizieren wollen und nicht priorisieren. Das führt zu einem erhöhten Stresslevel, was Botschaften eher frisst, als sie zu betonen…«
»Der Deutsche – und nicht nur er – wird angesichts der steigenden Digitalisierung nur noch ungeduldiger und anspruchsvoller und möchte zielgerichtet angesprochen werden. Die Toleranz gegenüber komplexen Botschaften ist deutlich gesunken. Und es gibt deutliche Unterschiede in der emotionalen Ansprache zwischen den Generationen (Gen Y, Gen Z und Gen Alpha*).«
Aha – Und warum versuchen wir immer wieder, mit jeder Mitteilung die ganze Welt zu erklären? Wann lösen wir emotionale Bedeutung aus?
Wissenswert:
Underground
95 Prozent der kognitiven Abläufe finden nicht bewusst statt, sondern werden unterbewusst von Emotionen geleitet, so Gerard Altmann in »How Customers Think: Essential Insights into the Mind of the Market«.
Ausgelacht
2,3 Prozent weniger freundliche oder lachende Emojis als im Vorjahr hat Brandwatch für 2018 in sozialen Medien gezählt. Der Einsatz der eher traurigen Emojis stieg dagegen um 3,6 Prozent an. Gesagt besehen werden aber mit 28,7 Prozent am häufigsten freudige Emojis verwendet, traurige zu 19,6 Prozent und Emojis, die Abneigung signalisieren, zu 18,1 Prozent.
Die magischen 27
Menschliche Gefühlsregungen lassen sich nach Forschungen des Berkeley Social Interaktion Laboratory in 27 Kategorien unterteilen:
Glück, Trauer, Wut, Angst, Ekel, Überraschung, Entsetzen, Sorge, Verzückung, Bewunderung, Unbeholfenheit, Sexuelle Lust, Interesse, Romantik, Befriedigung, Langeweile, Erleichterung, Nostalgie, Ästhetische Wertschätzung , Verlangen (nach Schokolade z. B.), Ehrfurcht, Schock, Schmerz, Verehrung, Belustigung, Gelassenheit, Verwirrung.
Textauszüge aus Interview mit Carmen Schenkel, W&V No 10.1 Oktober 2019 Thomas Seldeck
Wissenswertes aus W&V Oktober 2019
Gelesen und zusammengestellt von Martin Rzeppa
Foto: Übermannt von Emotionen. MRT-Aufnahme. Psychologie-Aktuell.com
Grafik: Design-für-Gründer