Veranstaltungen wegen Gesundheitsschutz und aus Hygienegründen verboten. Betriebsversammlungen werden abgesagt oder verschoben. Die Interessenvertretung durch Betriebsräte findet eingeschränkt statt. Am meisten leidet die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Dabei gibt es gerade jetzt viel zu tun und viel zu informieren. Home Office, Kurzarbeit, Arbeitsschutz, Hygienemaßnahmen…
Beschäftigte haben Sorgen um ihren Job. Was muss ich zum Kurzarbeitergeld wissen? Wie können mich meine Betriebsräte vor Willkür schützen?
In der internen Unternehmenskommunikation sind digitale Methoden längst gang und gebe. Teams arbeiten bereits virtuell zusammen, Chefs laden in virtuelle Townhalls ein. Eine virtuelle Betriebsversammlung durchführen, ist das erlaubt?Für unsere Betriebsratsseminare Öffentlichkeitsarbeit habe ich Stimmen eingefangen und Ideen zur virtuellen Betriebsversammlung gesammelt.
Das sagen Arbeitsrechtler:
Die Betriebsversammlung ist nicht öffentlich und wenn sie wegen der Eigenart des Betriebes nicht für alle Arbeitnehmer zum gleichen Zeitpunkt stattfinden können, seien Teilversammlungen durchzuführen.
§ 45 Satz 2 BetrVG hält zur inhaltlichen Ausgestaltung fest, dass die Betriebsversammlung dem Betriebsrat auch eigene Anträge unterbreiten und zu seinen Beschlüssen Stellung nehmen kann.
Schließt das den Einsatz moderner Kommunikationstechnik aus? Erstaunlicherweise finden sich hierzu keine Urteile und auch kaum Hinweise in der arbeitsrechtlichen Literatur.
Zahlreiche Stimmen schließen aus der Nicht-Öffentlichkeit, dass virtuelle Betriebsversammlungen, bei denen einzelne oder sogar die gesamte Belegschaft per Videotechnik verbunden sind, generell unzulässig sind. Vor allem deshalb, weil sich Dritte mittel technischer Hilfsmittel unbemerkt einschalten oder der Videoschaltung eines Mitarbeiters unbemerkt beiwohnen könnten.
Expertenforum Arbeitsrecht #EFRA Thomas Niklas 9.3.20
Das „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ …
… bringt Bewegungsspielraum für Betriebsräte, die auch in der Coronazeit ihre Beschäftigten informieren wollen.
»Versammlungen nach den §§ 42, 53 und 71 können mittels audiovisueller Einrichtungen durchgeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass nur teilnahmeberechtigte Personen Kenntnis von dem Inhalt der Versammlung nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig.«
Die Regelung gilt rückwirkend ab dem 1. März 2020 und ist zunächst befristet bis zum 31. Dezember 2020. Einführung des § 129 BetrVG mit dem Titel »Sonderregelung aus Anlass der Covid-19-Pandemie«
Und nun?
Das empfehlen Gewerkschaften.
Zur Nicht-Öffentlichkeit: Die Teilnahme an der virtuellen Versammlung wird durch einen Zugangscode gesichert. Der Zugangscode wird nur gegen die Zusicherung in Textform erteilt, diesen weder an Dritte weiter zu geben noch Aufzeichnungen jedweder Art vorzunehmen.
Zur Beteiligung und zum Hausrecht: Es gibt eine Frage/Antwort Funktion und eine Chat-Funktion. Es können mindestens bis zu fünf Referenten und ein Moderator per Video-Fenster übertragen werden, ein Referent/Moderator (Versammlungsleiter) hat die Möglichkeit Teilnehmer abzuschalten.
Damit alle Beschäftigte teilnehmen können: Die Nutzung des Zugangscodes erfordert keine besondere Software für die Teilnehmer und es kann auch mit handelsüblichen Smart-Phones zugegriffen werden. Es ist auch zu regeln, wie die Einladung zur virtuellen Betriebsversammlung an Kolleginnen und Kollegen versandt wird, die nicht »online« sind.
IG Metall 2. April 2020 Hinweise zur virtuellen Betriebsversammlung
So sieht das der Praktiker:
»Der Betriebsrat hat das Recht, die Belegschaft über Videokonferenzen oder über das Intranet zu informieren, wenn auch der Arbeitgeber dieses Format nutzt. Sicherzustellen sei, dass Betriebsversammlungen nur für Betriebsangehörige und den Gewerkschaftsvertreter zugänglich sind. Inzwischen gibt es Kommunikationssoftware, die auch eine interaktive Kommunikation ermöglicht, sodass Beschäftigte Fragen stellen und Meinungen äußern können.«
André Arenz legte den Betriebsratsmitgliedern nahe, bei einer noch längeren Dauer der Einschränkungen der sozialen Kontakte und des Betriebsablaufs, die Belegschaft in jedem Fall per Videokonferenz über wesentliche Sachverhalte im Betrieb zu informieren oder andere Wege wie E-Mails, Info-Letter oder Soziale Medien zu nutzen.
André Arenz IG Metall Olpe
Also: Immer schön pragmatisch bleiben
Betriebsversammlungen sind auch weiterhin möglich. Nicht vergessen, die Höchstgrenzen für Teilnehmer*innen beim Landkreis/Stadt erfragen. Sonst Teilversammlungen durchführen oder Abteilungsversammlungen. Ein eigenes Hygiene-Konzept ausarbeiten. Die Abstandsregeln beachten und dafür Raumgrösse, Bestuhlung und Audio/Bildschirmübertragung anpassen oder neu einrichten.
Aber was tun, wenn Beschäftigte im Büro arbeiten, ein anderer Teil im Homeoffice, ein weiterer Teil in der Produktion anwesend ist und wieder andere in Kurzarbeit zu hause sind?
So können alle teilnehmen und niemand wird ausgeschlossen:
Die Veranstaltung wird gestreamt und es gibt ein Chat/Beteiligungs-Tool. Versammlungen im Betrieb finden dort statt, wo Menschen im Betrieb sich vor einem Bildschirm die Übertragung gemeinsam ansehen können.
Dort, wo im Homeoffice gearbeitet wird, läuft die Veranstaltung über die betriebliche Konferenz-Software.
Dort wo Beschäftigte wegen Kurzarbeit, Elternzeit oder Krankheit zuhause sind, erfolgt das Streaming und die Beteiligung über das persönliche Smartphone oder den PC.
Über eine gemeinsame Kommunikationssoftware können Fragen gestellt und Feedbacks gegeben werden.
So bleibt die Versammlung nicht-öffentlich:
Der Betriebsrat beschließt die Betriebsversammlung und deren Form.
Er lädt ein mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Nichtöffentlichkeit der Betriebsversammlung. Er weist darauf hin, dass Mitschnitte und Verbreitung der Inhalte und Personen auf der Versammlung oder von Teilen davon ausdrücklich verboten sind.
Der Zugang zum virtuellen Teil der Versammlung wird leicht verständlich beschrieben. Das gilt auch für die Funktion und Voraussetzungen bei der Nutzung einer Frage – und Feedback – App.
Und die Technik?
Das hat sich bereits bewährt: Zoom Business Lizenzen ermöglichen hohe Teilnehmerzahlen. Wo bereits betriebliche Konferenztools genutzt werden, sollten die eingesetzt werden.
Der Zugangscode kann über die betriebliche E-mail-Adresse erteilt werden. Wer keine betriebliche E-mail besitzt, kann sich mit der Handynummer registrieren lassen.
Die Software für Fragen und Feedbacks sollte gut geeignet sein für Umfragen, die bereits auf der Versammlung ausgewertet werden können. Sie sollte es jedem einzelnen Teilnehmer ermöglichen, Fragen zu stellen – direkt in der Versammlung.
Metall-Betriebsräte und die IGMetall haben bereits gute Erfahrungen gemacht mit Teambits als Beteiligungsinstrument.
Denn man los. Versuch macht klug. Und viel Erfolg.
Texte: Martin Rzeppa
IG Metall 2. April 2020, Hinweise zur virtuellen Betriebsversammlung
André Arenz, IG Metall Olpe
Expertenforum Arbeitsrecht #EFRA Thomas Niklas 9. März 2020
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