Fast 70 Prozent aller jungen Leute zwischen 14 und 24 sind sich sicher, dass ihre beruflichen Wünsche in Erfüllung gehen. Bei den Azubis sind es sogar 80 Prozent, und 90 Prozent sind davon überzeugt, einen festen Arbeitsplatz in ihrem Beruf zu finden. Das hat das Sinus-Institut im Auftrage der Industrie- und Handelskammern in Baden-Württemberg durch eine Befragung von 1000 jungen Leuten ermittelt. Von »no future« oder »null Bock« also keine Spur mehr!

Eine breite Mehrheit ist von der Qualität der Dualen Ausbildung überzeugt

Allerdings zeigt die Studie auch, dass nur noch ein Viertel derjenigen Befragten, die noch zur Schule gehen, eine duale Ausbildung anstreben. Dabei ist eine breite Mehrheit der jungen Baden-Württemberger von der Qualität dieser Ausbildung überzeugt, vor allem wegen ihrer Praxisnähe. Und mehr als die Hälfte glauben, dass eine Berufsausbildung mindestens genau so viele Karrierechancen eröffnet wie ein Studium. Selbst ein Drittel der Gymnasiasten hält eine Karriere mit Lehre für möglich.

Das sind die Kriterien für den Traumberuf

Nach welchen Kriterien wählen Jugendliche ihren Traumberuf? Auch da liefert die Studie eindeutige Befunde: Für 85 Prozent gehört der Spaß bei der Arbeit zu den fünf wichtigsten Kriterien. Immerhin noch zwei Drittel suchen einen Beruf, der den eigenen Neigungen und Fähigkeiten entspricht. Auf den nächsten Plätzen folgen die Vereinbarkeit mit Familie und Privatleben (58 Prozent*), ein hohes Einkommen (51), die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung (48) und Karrierechancen (47). Zunehmend wichtig wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Für Männer ist dieser Punkt sogar genau so wichtig wie Gehalt oder Karriere, für Frauen noch wichtiger.

Sinusmilieu ist entscheidend für die Berufswahl

Natürlich denken nicht alle Jugendlichen gleich. Deswegen wurde bei der Befragung nach den gängigen Sinus-Milieus unterschieden, und tatsächlich, bei den entscheidenden Gründen für eine Berufswahl gibt es deutliche Unterschiede: die Pragmatiker nennen am häufigsten Karrierechancen als entscheidendes Motiv, die Konservativ-Bürgerlichen die Familienfreundlichkeit und die Hedonisten die Selbstverwirklichung, während die Prekären die Krisensicherheit am meisten schätzen.

Gesellschaftliches Ansehen spielt keine so große Rolle

Das gesellschaftliche Ansehen (13), was Freunde (8) oder Eltern (5) zu der Wahl sagen, scheint dagegen nur eine geringe Rolle zu spielen. Das gilt allerdings nicht für alle Schülergruppen gleichermaßen. So ist es Haupt- und Realschülern im Vergleich zu den Gymnasiasten wesentlich wichtiger, dass der Beruf in der Gesellschaft (20 vs. 10) und im Freundeskreis (13 vs. 2) Anerkennung findet und auch dass er den Eltern gefällt (8 vs. 1). Allerdings sind auch für Haupt- und Realschüler andere Kriterien wichtiger. Einig sind sich dagegen alle Milieus in ­Sachen Betriebsklima: Fragt man nach den allgemeine Erwartungen an den Arbeitgeber, so legen mehr als die Hälfte größten Wert darauf, dass das Verhältnis zwischen Mitarbeitern und ihren Vorgesetzten sehr gut ist (53), beziehungsweise, dass die Stimmung unter den Kollegen sehr gut ist (51). Erst danach folgen abwechslungsreiche Aufgaben (45) und ein fester Ansprechpartner, an den sie sich bei Fragen und Problemen wenden können (38). So jemanden nicht zu haben, schreckt immerhin 51 Prozent ab.

Alte Geräte für Junge: Das geht gar nicht

Immerhin noch für circa ein Drittel der Befragten sind folgende Kriterien von entscheidender Bedeutung: die Nähe zum eigenen Wohnort (38), überdurchschnittliche Bezahlung (38) und flexible Arbeitszeiten (33). Wert auf einen guten Ruf (30), soziales Engagement (27) oder Produkte und Leistungen, mit denen sie sich voll identifizieren können (29), legt dagegen nur jeder Vierte.

Bei den Dingen, die für die Jugendlichen als »no go« gelten, herrscht dagegen wieder Einigkeit. Wenig überraschend bei der technik-affinen Generation stört die allermeisten (70), wenn sie mit schlechter oder veralteter Technik arbeiten müssten. Häufige Überstunden (62) und Wochenendarbeit (60) oder häufig Arbeiten erledigen zu müssen, die eigentlich nicht zum Aufgabengebiet gehören – Stichwort Kaffee kochen – (62), ist ebenso unbeliebt, wie mit Kollegen arbeiten zu müssen, die man nicht besonders leiden kann (61).

Praktika werden als zuverlässigste Infoquelle angesehen

Doch wie informieren sich die jungen Leute über all diese Fakten? 60 Prozent halten ein Praktikum beziehungsweise den direkten Austausch mit Menschen, die in dem Beruf arbeiten, für die zuverlässigste Informationsquelle. Interessant dabei ist, dass junge Frauen (68 vs. 53 junge Männer) und formal Niedriggebildete (67 vs. 59 formal Hochgebildete) ein Praktikum für besonders hilfreich halten. An dritter und vierter Stelle werden die ­Internetrecherche über Suchmaschinen (42) und die Unternehmenshomepage (40) als hilfreichste Informationsquellen genannt.

Weniger als ein Drittel mögen im Betrieb anrufen

Weitere Möglichkeiten überzeugen dagegen weniger als ein Drittel: also Anruf im Unternehmen, Jobmessen, Informationstage oder Broschüren. Interessanterweise sind diese Wege aber bei bildungsfernen Jugendlichen und solchen mit Migrationshintergrund deutlich beliebter.

Die Angebote der Arbeitsagentur werden dagegen nur von jedem Vierten als „sehr hilfreich“ empfunden, Jobbörsen, Blogs, Internetforen sogar nur von jedem Fünften und Facebook sogar nur von 13 Prozent. Allerdings spielt das Internet für prekäre Jugendliche eine vergleichsweise große Rolle.

Die Hälfte der Befragten fühlt sich unzureichend informiert

Trotz dieser doch beachtlichen Anzahl an Infomöglichkeiten fühlt sich nahezu die Hälfte aller Befragten (46) nicht ausreichend darüber informiert, was man nach der Schule beruflich machen kann. Junge Frauen beklagen das noch deutlich häufiger als junge Männer (39 vs. 56). Das gefühlte Informationsdefizit nimmt mit dem Bildungsgrad zu. 83 Prozent wünschen sich mehr Beratung, um den Beruf zu finden, der am besten zu ihren Fähigkeiten passt. Unzureichend informiert fühlen sich die jungen Leute aber auch über Verdienstmöglichkeiten (74) und offene Stellen (71).

Nehmen Sie Kontakt zu Schulen auf

Was folgt daraus für die Azubisuche? Zunächst sollten Sie überlegen, welchen Typ Azubi Sie suchen. Die Studie (s.u.) gibt ausführlich Aufschluss darüber, was dieser Gruppe wichtig ist. So wissen sie, ob Sie bessere Chancen auf einer Berufsbörse haben oder es erfolgsversprechender ist, Ihren Internetauftritt anzupassen.

Unabhängig davon gilt: Laden Sie Schulklassen ein oder schicken Sie Ausbildungsbotschafter in die Schulen. Sorgen Sie dafür, dass die jungen Leute einen Eindruck bekommen, wie der Arbeitsalltag bei Ihnen konkret aussieht. Scheuen Sie sich nicht, über Jobsicherheit, Gehälter und Karrieremöglichkeiten ehrlich zu reden. Stellen Sie auch Vorteile wie S-Bahn-Nähe, Jobticket, flexible Arbeitszeiten etc. deutlich heraus.

Und noch etwas Bemerkenswertes für all diejenigen, die glauben, die Jugend von heute sei so anspruchsvoll und selbstbewusst wie nie: Jeder zweite macht sich Sorgen, den Anforderungen der heutigen Berufswelt nicht gewachsen zu sein.

IHK-Tipps für das Gespräch mit Azubi-Bewerbern

  • Machen Sie sich klar, dass auch Sie sich bewerben, nämlich um den Azubi
  • Nehmen sie sich Zeit und stellen Sie das Telefon ab
  • Von vergilbten Gardinen, Topfpflanzen und Röhrenbildschirmen am Empfang schließen Bewerber auf veraltete Technik im Betrieb
  • Studieren sie die Unterlagen vorher, so dass Sie dem Bewerber erklären können, warum er zu Ihnen passt
  • Konkretisieren Sie Karriere- und Verdienstmöglichkeiten, aber auch Familienfreundlichkeit – auch wenn der Bewerber sich nicht traut, danach zu fragen
  • Benennen Sie einen persönlichen Ansprechpartner und stellen Sie ihn vor
  • Erwähnen Sie konkrete Beispiele für ein gutes Betriebsklima (bei unserem letzten Grillfest…)
  • Bieten Sie Hilfe für den Arbeitsweg (Mitfahrgelegenheit, Jobticket)
  • Loben Sie den Bewerber, zum Beispiel für außerschulisches Engagement!

 

© Dr. Annja Maga für Magazin Wirtschaft Sonderheft Ausbildung, IHK Baden-Württemberg
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